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Mediation

Beiden Seiten gerecht werden

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Streitigkeiten nicht vor Gericht bringen, sondern mit einem Mediator einvernehmliche Lösungen suchen.

Bei Konflikten nicht die Gerichte bemühen, sondern einen Mediator als Schlichter einschalten und einen für alle akzeptablen Ausgleich finden: Das ist die Grundidee der Mediation, die seit etwa 20 Jahren auch in Deutschland praktiziert wird und die vor fünf Jahren mit dem Mediationsgesetz einen rechtlichen Rahmen erhielt.

Bei Streitigkeiten zwischen Privatleuten, aber auch in der der Geschäftswelt bietet sich vielfach die Einschaltung eines Mediators an. Dadurch spart man sich zeit- und kostenintensive gerichtliche Auseinandersetzungen und man legt im Idealfall die Basis für eine weitere, einvernehmliche Zusammenarbeit. Bei der Wirtschaftsmediation werden grundsätzlich zwei Arten unterschieden:

  • Business-to-Business-Mediation (B2B-Mediation) zur Lösung von Konflikten im Außenverhältnis von Unternehmen – bei Konflikten mit anderen Unternehmen, mit Kunden oder mit sonstigen Dritten.
  • innerbetriebliche Mediation für Konflikte im Innenverhältnis, z. B. bei Konflikten zwischen Mitarbeitern, zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat, innerhalb der Führungsgremien oder unter Gesellschaftern.

Aussagen darüber, welche Verbreitung die Mediation seit Inkrafttreten des Mediationsgesetzes vor fünf Jahren gefunden hat, sind nur schwer zu treffen. Die Bundesregierung hat zwar im vergangenen Jahr eine Evaluation des Gesetzes durchführen lassen, aber dieser Bericht ist wenig aussagekräftig und lässt keine konkreten Schlüsse zu, wie stark dieses außergerichtliche Instrument der Streitbeilegung tatsächlich genutzt wird. Eine Untersuchung der Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers von 2016 lässt immerhin erkennen, dass die Mediation bei Unternehmen zwar hohe Wertschätzung genießt, in der Praxis aber noch wenig genutzt wird. Zurückgeführt wird dies u. a. auch darauf, dass die Mediation häufig noch nicht im Repertoire der Anwaltskanzleien verankert sei. Trotz dieser zurückhaltenden Einschätzung kommt die Studie zu dem Schluss, dass sich die Mediation angesichts ihrer zahlreichen Vorteile kontinuierlich im Wirtschaftsleben etabliert. Eine wichtige Rolle spielen dabei nicht zuletzt die Industrie- und Handelskammern, die ihre Mitgliedsunternehmen intensiv über die Möglichkeiten der Mediation informieren. Die IHK Nürnberg für Mittelfranken hat bereits im Jahr 2007 ihr „Mediations-Zentrum“ eingerichtet, das konkrete Hilfestellung bei Mediationsverfahren leistet (www.ihk-nuernberg.de/mediation).

Maßgeblich vorangetrieben wird die Entwicklung der Wirtschaftsmediation durch den „Round Table Mediation und Konfliktmanagement“ (www.rtmkm.de). Dieser im Jahr 2008 gegründete Arbeitskreis, an dem Vertreter von 80 namhaften deutschen Unternehmen mitwirken, will differenzierte Konfliktlösungssysteme in Unternehmen erarbeiten. Im Mittelpunkt der Arbeitskreis-Aktivitäten stehen Erfahrungsaustausch und gegenseitige Information, Erprobung von Verfahren der Konfliktlösung und deren Etablierung in den Unternehmen. Für kleine und mittlere Betriebe gibt es einen eigenen Arbeitskreis, denn sie brauchen spezielle, auf ihre Größe und Mitarbeiterzahl zugeschnittene Strukturen und Methoden. So wird etwa die Einrichtung eines eigenen Mediatorenpools wie in Großunternehmen für sie in der Regel nicht in Betracht kommen.

Innerbetriebliche Konflikte

Zahlreiche Unternehmen, die am Round Table beteiligt sind, nutzen die Mediation insbesondere zur Beilegung von innerbetrieblichen Konflikten. Dafür haben sie interne Strukturen etabliert, die konkrete Vorgaben zur Vermeidung und Behandlung von Konflikten enthalten. Diese Vorgaben gelten für alle Unternehmensebenen – für Streitigkeiten zwischen Mitarbeitern ebenso wie für Konflikte zwischen Geschäftsführung und Personalvertretung oder für Konflikte innerhalb von Führungsgremien. Die Erfahrung hat zudem gezeigt, dass sich die innerbetriebliche Mediation insbesondere bei Streitigkeiten auf der Gesellschafterebene, gerade in kleineren Personengesellschaften und GmbHs, bewährt hat. Denn dort werden wirtschaftliche Problem häufig von persönlichen Unstimmigkeiten überlagert, die sich nicht auf rein juristische Weise beheben lassen. Hier kann der Mediator als neutrale Instanz wertvolle Dienste leisten, um den eigentlichen Ursachen des Konflikts auf den Grund zu gehen und als Vermittler tätig zu werden.

Der Runde Tisch arbeitet auch an der Entwicklung eines Kodex für das Konfliktmanagement („Conflict Management Codex“) – eine Art Credo der außergerichtlichen Streitbeilegung. Unternehmen, die den Kodex anerkennen, bekennen sich zu einem differenzierten und lösungsorientierten Konfliktmanagement. Sie erklären, dass sie mit ihren Vertragspartnern im Streitfall konstruktiv überlegen wollen, welche Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung sie nutzen könnten. Sollte keine Einigung auf diesem Wege zustande kommen, besteht selbstverständlich weiterhin die Möglichkeit, die Gerichte anzurufen.

Freiwillige Selbstverpflichtung

Die Unternehmen erkennen den Kodex an, indem sie eine freiwillige Selbstverpflichtung unterzeichnen (sogenannte ADR Corporate Pledge), die öffentlich bekannt gemacht wird. Die Selbstverpflichtung besagt, dass das Unternehmen immer dann, wenn ein Konflikt mit einem anderen Unternehmen droht, zunächst ergebnisoffen prüfen wird, ob ein Mediationsverfahren oder ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Konfliktlösung sinnvoll erscheint. Kommt das Unternehmen zu diesem Ergebnis, verpflichtet es sich dazu, dies der Gegenseite vorzuschlagen. Dieses Vorgehen ist in vielen US-amerikanischen Unternehmen erfolgreiche Praxis. Es bietet wirtschaftliche Vorteile und vermeidet zeit- und kostenintensive Auseinandersetzungen vor nationalen oder internationalen Gerichten. Die Unternehmen bringen mit der Selbstverpflichtung nicht zuletzt zum Ausdruck, dass sie sich auch bei Streitigkeiten darum bemühen, weiterhin mit dem anderen Unternehmen zusammenzuarbeiten. Der ergebnisoffene und lösungsorientierte Umgang mit Konflikten führt zu einer offeneren und ehrlicheren Geschäftskultur.

Folgende Streitfälle stehen beispielhaft für viele, in denen Konflikte durch Mediation rasch, interessengerecht und kostengünstig beigelegt wurden. Zunächst zwei Fälle der B2B-Medidation, mit der Streitigkeiten zwischen Unternehmen geregelt werden konnten:

Streit wegen eines Energieliefervertrags: Ein Unternehmen, das auf die thermische Verwertung von Gewerbemüll spezialisiert ist, liefert im Rahmen eines 20-Jahres-Vertrages Dampf und Strom an ein angrenzendes Unternehmen der Grundstoffindustrie. Aufgrund eines Preisverfalls auf dem Entsorgungsmarkt entsteht ein Streit über die Lieferpreise, der zunehmend erbittert geführt wird, bis hin zu wechselseitigen Schikanen. In einer Mediation wird in fünf Sitzungen eine Anpassung der vertraglichen Regelungen an die geänderten Verhältnisse vereinbart. Nebenbei werden auch weitere, schon länger schwelende Konfliktthemen bereinigt, die im Verlauf der Mediation anklingen. Eine grundlegende Verbesserung des gegenseitigen Vertrauens wird erreicht, eine konstruktive Zusammenarbeit zum Vorteil beider Seiten auf Dauer gesichert.

Streit wegen mangelhafter Erstellung einer Homepage: Ein Unternehmen hatte eine Werbeagentur damit beauftragt, eine neue Homepage zu erstellen, die den aktuellen Nutzungs- und Sehgewohnheiten entspricht. Die äußere Gestaltung findet Anklang beim Auftraggeber, allerdings zeigt sich bei der Inbetriebnahme, dass verschiedene Funktionen der alten Homepage zur interaktiven Betreuung von Kunden fehlen. Die Werbeagentur lehnt eine Nachbesserung ab, zumal der Vertrag in diesem Punkt nicht eindeutig sei. Ein Prozess droht, bei dem beide Seiten nur verlieren können, denn die zu erwartenden Kosten liegen über denen einer Nachbesserung und die Nutzung der neuen Homepage würde sich auf unbestimmte Zeit verschieben. Außerdem wäre das notwendige, enge Zusammenwirken beider Seiten gefährdet, um doch noch die volle Funktionalität der Homepage zu erreichen. In zwei Mediationssitzungen verständigen sich die Parteien darauf, dass die Fachleute beider Seiten gemeinsam die nötigen Optimierungen herbeiführen und die Mehrkosten dafür auf einer maßvollen Höhe bleiben.

Im Folgenden zwei Praxisbeispiele für die innerbetriebliche Mediation:

Ständige Auseinandersetzungen zwischen Vorstand und Personalrat eines Kreditinstituts: Der Konflikt zieht sich seit Langem hin, bei zahlreichen mitwirkungspflichtigen Entscheidungen bestehen unterschiedliche Auffassungen. Beide Seiten schöpfen alle rechtlichen Mittel einschließlich arbeitsgerichtlicher Verfahren aus. Vor den Arbeitsgerichten laufen zahlreiche Prozesse zwischen Kreditinstitut und Mitarbeitern, weil Vorstand und Personalrat ihre Befriedungsfunktion nicht mehr wahrnehmen. Man verkehrt fast nur noch schriftlich miteinander, Betriebsvereinbarungen liegen auf Eis. Das Betriebsklima ist massiv beeinträchtigt, seit drei Jahren gab es keine gemeinsamen betrieblichen Veranstaltungen wie Betriebsfeste oder Ausflugsfahrten mehr. In einer Mediation, die sich über eineinhalb Tage erstreckt, wird eine grundlegende Einigung erzielt. Für die Zukunft werden „Zehn Regeln der Zusammenarbeit“ vereinbart, die sich schließlich als stabile Grundlage für ein vertrauensvolles Miteinander erweisen (Text abrufbar unter www.mediator-schmidt.de, Rubrik „Veröffentlichungen“).

Streit um die Führung eines Wirtschaftsverbandes: Zwischen den acht hauptberuflichen Geschäftsführern eines Wirtschaftsverbandes auf Landes- und Bezirksebene bestehen massive Konflikte und Meinungsverschiedenheiten über die gemeinsamen Ziele. Nicht einig sind sie sich außerdem über die jeweiligen Kompetenzen der Beteiligten und die notwendigen Abstimmungen, wodurch die Zusammenarbeit stark beeinträchtigt wird. In zwei Mediationssitzungen werden die bestehenden Probleme umfassend, offen und ohne Rücksicht auf die Hierarchie diskutiert. Es gelingt, die Interessen und Bedürfnisse der Beteiligten zu klären und grundsätzliche Neuregelungen festzulegen.

Die Fallbeispiele zeigen exemplarisch, welche Möglichkeiten die Wirtschaftsmediation bietet. Kein anderes Verfahren führt so rasch und mit so geringem Aufwand zu maßgeschneiderten und nachhaltigen Lösungen.

Autor/in: 

Von Dr. Frank H. Schmidt

Externer Kontakt:

Rechtsanwalt Dr. Frank H. Schmidt war u. a. Umweltreferent der Stadt Nürnberg und ist heute als Anwaltsmediator in Nürnberg tätig. Er ist Lehrbeauftragter und Dozent (Universität Erlangen-Nürnberg, Fernuniversität Hagen und Fortbildungseinrichtungen der Wirtschaft). Außerdem engagiert er sich durch Vorträge, Veröffentlichungen und umfangreiche Verbandstätigkeit für das Thema Mediation (www.mediator-schmidt.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2018, Seite 14

 
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