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Baugenehmigungen

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Vertragliche Regelungen zwischen Bauherrn und Baubehörde können im Genehmigungsverfahren für mehr Rechtssicherheit sorgen. Von Herbert Kohler und Sebastian Siemer

Um die Voraussetzungen für eine Baugenehmigung zu schaffen, werden im öffentlichen Baurecht zunehmend vertragliche Vereinbarungen genutzt. Investor und Genehmigungsbehörde können unter bestimmten Umständen im Vorfeld der Genehmigung einen (öffentlich-rechtlichen) Vertrag abschließen. Eingesetzt werden kann dieses Instrument im Bauplanungsrecht unter anderem, wenn es um die Zulässigkeit eines Bauvorhabens im unbeplanten Innenbereich von Gemeinden oder im Bereich eines Bebauungsplanes geht. Dieses Instrument kann auch bei der Frage ins Spiel kommen, ob Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes zulässig sind. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag (insbesondere der Spezialfall des städtebaulichen Vertrags) kann dazu dienen, Unklarheiten oder Unstimmigkeiten zwischen Investor und Behörde zu beseitigen, und damit im Vorfeld für eine erhöhte Rechtssicherheit sorgen.

Vergleichsvertrag

Wenn bei einer bestehenden Unsicherheit für Rechtssicherheit gesorgt werden soll, ist auch ein Vergleich zwischen Behörde und Investor möglich. Diese Ungewissheit kann sich entweder auf den zu beurteilenden Sachverhalt (z. B. auf die Notwendigkeit eines Sachverständigengutachtens oder dessen Inhalt) oder auf die Rechtslage beziehen (z. B.: Sind geforderte Tatbestände erfüllt, sodass die bauplanungsrechtlichen Vorschriften eingehalten werden?). Der Vergleichsvertrag ist – unabhängig vom Rechtsgebiet – ein wichtiger Unterfall des öffentlich-rechtlichen Vertrags. Gemäß Art. 55 des Bayerischen Verwaltungsverfahrens­gesetzes (BayVwVfG) kann er geschlossen werden, wenn ein Sachverhalt oder eine Rechtslage im Verfahren zwar ausreichend untersucht wurde, aber dennoch Ungewissheit in bestimmten Fragen fortbesteht und diese durch gegenseitiges Nachgeben der Parteien beseitigt werden soll. Ein solcher Vertrag kann auch im Bauplanungs- und Bauordnungsrecht geschlossen werden, wenn die Behörde den Vergleich für zweckmäßig hält, um eine Ungewissheit nach pflichtgemäßem Ermessen zu beseitigen.

Der Vergleichsvertrag dient dazu, Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten einvernehmlich beizulegen und hierdurch beispielsweise zeitraubende und kostspielige Prozesse mit ungewissem Ausgang oder die Durchführung eines Bauleitplanverfahrens zu vermeiden. Die Möglichkeit, öffentlich-rechtliche Vergleichsverträge zu schließen, entspricht somit dem Ziel eines effektiven und ökonomischen Verwaltungsverfahrens.

Baudispens-Vertrag

Der Baudispens-Vertrag ist eine weitere Form des öffentlich-rechtlichen Vertrages (im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 1 Baugesetzbuch BauGB in Verbindung mit Art. 54 ff. BayVwVfG). Er kommt in Betracht, wenn das Bauvorhaben nur im Wege einer Befreiung (Dispens) vom Bebauungsplan zugelassen werden kann. Der Baudispens-Vertrag kann in zwei Formen angewandt werden – als Vergleichsvertrag und als städtebaulicher Vertrag:

Baudispens-Vertrag als Vergleichsvertrag (im Sinne des Art. 55 BayVwVfG): Diese Vertragsform kommt in Frage, wenn trotz verständiger Würdigung des Sachverhalts und der Rechtslage dennoch diesbezügliche Ungewissheiten bestehen und diese Ungewissheiten durch einen Vertrag beseitigt werden können. Das gilt insbesondere bei folgenden Fragen:

  • Ist eine Festsetzung Ausdruck einer planerischen Grundkonzeption beziehungsweise werden durch die Befreiung die Grundzüge der Planung in rechtserheblicher Weise berührt, sodass eine Befreiung nicht möglich und die zeit- und kostenaufwändige Durchführung eines B-Plan-Änderungsverfahrens erforderlich ist?
  • Ist das Vorhaben, das durch die Befreiung vom Bebauungsplan ermöglicht werden soll, städtebaulich auch vertretbar? Das heißt: Könnten in einem Bebauungsplanverfahren alle erforderlichen Belange rechtmäßig so abgewogen werden, dass eine entsprechende Festsetzung des Bebauungsplans zulässig und damit die Realisierung des Vorhabens möglich wäre?

Baudispens-Vertrag als städtebaulicher Vertrag:

  • Eine vertragliche Regelung kann auch sicherstellen, dass das städtebauliche Ziel des Bebauungsplanes erreicht wird, selbst wenn der Investor von einer diesbezüglichen einzelnen Festsetzung befreit wird. Diese Möglichkeit sieht das Baugesetzbuch grundsätzlich vor (§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB). Insbesondere kann damit der Tatbestand der „städtebaulichen Vertretbarkeit“ geregelt werden: In dem Vertrag mit der Behörde verpflichtet sich der Investor, der von einer Festsetzung des Bebauungsplans befreit wird, dass das städtebauliche Ziel auf andere Weise erreicht wird. Ein Beispiel: Er darf eine festgesetzte Baugrenze oder eine Gebäudehöhe überschreiten, wenn er diese Festsetzungen an anderer Stelle des geplanten Gebäudes nicht ausnutzt.
  • Ebenfalls um den Aspekt der „städtebaulichen Vertretbarkeit“ geht es, wenn eine vertragliche Regelung im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauGB geschlossen wird: Nach dieser Vorschrift kann dem Vertragspartner die Übernahme von Kosten und sonstigen Aufwendungen auferlegt werden, die der Gemeinde für eine städtebauliche Maßnahme entstehen und die die Voraussetzung oder die Folge des geplanten Vorhabens sind. Solche Folgelasten können entstehen, wenn der Bauherr bei der Art und/oder beim Maß der baulichen Nutzung von den Vorgaben des Bebauungsplanes befreit wird. Ein Beispiel: Es wird eine Wohnbebauung ermöglicht, die aber zusätzliche Kosten etwa für die dadurch notwendige Errichtung einer Kindertageseinrichtung oder für Grundschul- und Mittelschulplätze nach sich zieht. Diese könnten dem Bauherrn durch eine vertragliche Regelung auferlegt werden. Oder es wird zum Beispiel die Umsetzung eines Mobilitätskonzepts vereinbart, um dadurch die verkehrliche Erschließung eines Vorhabens (gemäß §§ 30 ff. BauGB) sicherzustellen.

Grenzen für öffentlich-rechtliche Verträge

Aufgrund zu beachtender rechtlicher Grenzen für öffentlich-rechtliche Verträge sind diese nicht für alle Planungs- oder Genehmigungsverfahren geeignet: Bei einem Vergleichsvertrag müssen Ungewissheiten im Bereich des zu ermittelnden Sachverhalts oder im Hinblick auf die Rechtslage bestehen und beide Vertragsparteien müssen gegenseitig nachgeben. Nichtig ist ein Vergleichsvertrag, wenn diese Voraussetzungen nicht vorlagen und ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers rechtswidrig wäre (Art. 59 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG). Zudem muss der Umfang der Pflichten, die dem Bauherrn auferlegt werden, verhältnismäßig sein. Denn auch für Bedingungen und Auflagen, die in einem Verwaltungsakt gestellt werden, sowie für Auflagenvorbehalte muss die Behörde eine rechtmäßige Ermessensentscheidung treffen (Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG).

Ein wichtiger Hinweis: Für öffentlich-rechtliche Verträge besteht auch das sogenannte „Koppelungsverbot“. Dieses Verbot enthält zwei Elemente: Einerseits darf durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag nichts miteinander verknüpft werden, was nicht ohnehin schon in einem „inneren Zusammenhang“ zwischen der vereinbarten vertraglichen Regelung und dem Inhalt der baurechtlichen Vorschriften steht. Zum anderen dürfen hoheitliche Entscheidungen ohne entsprechende gesetzliche Ermächtigung nicht von wirtschaftlichen Gegenleistungen abhängig gemacht werden – es sei denn, erst die Gegenleistung beseitigt ein rechtliches Hindernis, das der Entscheidung entgegensteht. Das heißt, dem Bauherrn darf in der Vereinbarung keine Leistung aufgebürdet werden, wenn er auch ohne sie einen Anspruch auf die Gegenleistung – also den Erlass der Baugenehmigung – hätte.

Insbesondere im Zusammenhang mit Baudispens-Verträgen gewinnt dieses Verbot an Bedeutung: Die Baugenehmigungsbehörde darf sich die Erteilung einer Befreiung nicht „bezahlen“ lassen (das Gleiche gilt für das Einvernehmen der Gemeinde hierzu). Das bedeutet: Sie darf vom Antragsteller keine wirtschaftlichen Leistungen verlangen, die keinen sachlichen Zusammenhang mit der Befreiung vom Bebauungsplan haben. Im Ergebnis folgt daraus, dass dem Bauherrn nur Kosten für Maßnahmen auferlegt werden können, die ein Hindernis für diese Befreiung beseitigen.

Es gibt also die grundsätzliche Möglichkeit, auch im Rahmen von Baugenehmigungsverfahren vertragliche Regelungen zu treffen. Sie können das Verfahren nicht nur inhaltlich vereinfachen, sondern es auch beschleunigen. Sie dienen damit auch dem Rechtsfrieden, zudem können sie Rechtsstreite und Änderungsverfahren für den Bebauungsplan von vorneherein vermeiden. Hervorzuheben ist dabei, dass vertragliche Regelungen auch dann von der Bauverwaltung getroffen werden können, wenn die Regelung an sich den Zuständigkeitsbereich anderer Fachbehörden oder Fachstellen betrifft. So kann zum Beispiel eine vergleichende Regelung getroffen werden, die den Bauherren von einer Festsetzung zur Grünordnung befreit, für die inhaltlich das Umweltamt zuständig ist. Wegen dieser Vorteile ist es deshalb zu empfehlen, auch in Baugenehmigungsverfahren öfter vertragliche Regelungen zu treffen.

Autor/in: 

Herbert Kohler und Sebastian Siemer sind Rechtsanwälte und Fachanwälte für Verwaltungsrecht bei der Kanzlei Waldmann Kohler Rechtsanwälte PartGmbB in Nürnberg (www.waldmann-kohler.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2021, Seite 110

 
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