"Zucht und Ordnung": Betriebliche Arbeitsregelungen von einst
Mit der Industrialisierung vollzog sich im 19. Jahrhundert ein tiefgreifender Wandel in der Wirtschaft. Die Produktionsverfahren änderten sich – ein strenger Zeittakt bestimmte die mechanische Fertigung. Es lag im Interesse der Fabrikherren, den Einsatz der Arbeitskräfte an den kostspieligen Maschinen möglichst gewinnbringend und rationell zu gestalten. Nach der Reichsgewerbeordnung von 1871 war die Regelung der industriellen Lohnarbeitsverhältnisse und damit der Erlass von Fabrikordnungen Gegenstand freier Übereinkunft. Die Bestimmungen waren weitreichend. So verbot ein bayerischer Fabrikant auf dem Land seinen Lehrlingen "strengstens" den Besuch der Gasthäuser nach dem Gebetläuten (ausgenommen in Begleitung der Eltern). Auch die Wochenarbeitszeit wurde festgeschrieben: Im Schnitt lag sie bei 72 Stunden. Verstöße gegen die Arbeitsdisziplin zogen Strafmaßnahmen wie etwa Lohnabzug nach sich. Erst die Novelle zur Reichsgewerbeordnung von 1891 machte Fabrikordnungen verbindlich und gab auch einen inhaltlichen Rahmen vor. Arbeitsordnungen wirkten auch da noch bis in den privaten Bereich hinein. So mussten vor dem Ersten Weltkrieg leitende Angestellte der Handelskammer München, wenn sie eine Ehe eingehen wollten, dies rechtzeitig ihrem Arbeitgeber anzeigen.
Arbeiter der Maschinenfabrik Esterer in Altötting, 1875
Im Hof der Münchner Lokomotivfabrik Maffei, 1849
Kontor der Kolonialwarenhandlung Franz Kathreiner in München, 1901
Dr. Eva Moser, Leiterin des Bayerischen Wirtschaftsarchivs
Fotos: Bayerisches Wirtschaftsarchiv BWA