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Arbeitsrecht

Wann darf die Maske fallen?

Maskenpflicht Büro Mitarbeiterin © miodrag ignjatovic/GettyImages.de

Arbeitsrecht in der Corona-Krise: Maskenpflicht, Ausnahmen und Sanktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers.

Kann der Arbeitgeber anordnen, dass die Mitarbeiter am Arbeitsplatz eine Maske tragen müssen? Das ist eine der zahlreichen Fragen, die die Corona-Krise im Arbeitsrecht aufgeworfen und die in der Praxis schon zu zahlreichen Auseinandersetzungen geführt hat. Die Maskenpflicht hat sich als wichtige Präventions-maßnahme in den Betrieben bewährt und wurde bereits in eine Reihe von Rechtsgrundlagen mit aufgenommen. Auch Arbeits- und Verwaltungsgerichte haben sich schon damit beschäftigt. Dabei ging es u. a. um den Umfang der Maskenpflicht, um mögliche Ausnahmen sowie um Reaktions- und Sanktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers, sollten sich die Mitarbeiter der Maskenpflicht verweigern.

Allgemeine Rechtsgrundlagen: Der Arbeitgeber hat im Rahmen seines Direktionsrechts (gemäß § 106 S. 2 Gewerbeordnung GewO) die Möglichkeit, für seine Beschäftigten die Pflicht anzuordnen, eine Mund-Nasen-Bedeckung im Betrieb zu tragen. Dadurch ordnet er das betriebliche Verhalten der Arbeitnehmer. Bei Betrieben, in denen ein Betriebsrat installiert ist, muss vorher dessen Mitbestimmungsrecht beachtet werden.

Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Anordnung solcher Maßnahmen kann sich aus seiner Fürsorgepflicht (gemäß § 618 Bürgerliches Gesetzbuch BGB) und insbesondere aus den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften (gemäß § 3 Abs. 1 ArbSchG Arbeitsschutzgesetz) ergeben. Demnach muss er durch geeignete Maßnahmen Leben und Gesundheit seiner Arbeitnehmer in angemessenem und zumutbarem Umfang schützen.

Sars-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung: Ergänzt werden diese allgemeinen gesetzlichen Grundlagen durch die bundesweit geltende Sars-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Sie ist Ende Januar 2021 in Kraft getreten und tritt nach derzeitigem Stand spätestens mit Ablauf des 30. Juni 2021 wieder außer Kraft. Die Verordnung verlangt von Arbeitgebern, dass bei betriebsnotwendigen Zusammenkünften von Beschäftigten geeignete Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Wenn mehrere Personen gleichzeitig in Räumen anwesend sind und dabei weniger als zehn Quadratmeter pro Person zur Verfügung stehen, muss der Arbeitgeber u. a. das Tragen von medizinischen Gesichtsmasken anordnen und so den Schutz der Arbeitnehmer sicherstellen. Dies gilt auch, wenn der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann oder wenn innerhalb von Gebäuden Wege vom und zum Arbeitsplatz zurückgelegt werden. In all diesen Fällen muss der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern medizinische Gesichtsmasken zur Verfügung stellen.

Darüber hinaus regelt die Verordnung auch, dass in den genannten Fällen die Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Masken oder mindestens gleichwertige Masken auch wirklich tragen müssen. Von einer Freiwilligkeit kann daher keine Rede sein. Die Verordnung lässt für den Arbeitgeber aber eine "Hintertür" offen, indem sie ihm erlaubt, abweichend von der Maskenpflicht andere ebenso wirksame Maßnahmen zu treffen.

12. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung: Darüber hinaus gibt es in zahlreichen landesrechtlichen Regelungen zusätzliche Regelungen zur Maskenpflicht – beispielsweise in der 12. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 5. März 2021. Sie ordnet die Maskenpflicht für das Personal bestimmter Handels- und Dienstleistungsbetriebe an, die derzeit öffnen dürfen. Diese Pflicht gilt in den Verkaufsräumen, auf dem Verkaufsgelände, in den Eingangs- und Warteflächen vor den Verkaufsräumen und auf den zugehörigen Parkplätzen. In Kassen- und Thekenbereichen von Ladengeschäften kann die Maskenpflicht für das Personal gegebenenfalls entfallen, wenn transparente oder sonstige geeignete Schutzwände aufgestellt werden. Das Gleiche gilt für körpernahe Dienstleistungen, soweit diese aktuell erbracht werden dürfen. Zudem wird in der Verordnung eine Maskenpflicht für den Arbeitsplatz angeordnet, wenn dort der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht zuverlässig eingehalten werden kann. Diese Verordnung, die eigentlich am 18. April 2021 außer Kraft treten sollte, wurde zunächst bis einschließlich 9. Mai 2021 verlängert. Eine weitere Verlängerung ist wahrscheinlich, Genaueres stand zum Redaktionsschluss dieser WiM jedoch noch nicht fest.

Handlungsspielraum des Arbeitgebers: Der Arbeitgeber hat mit Ausnahme von den zwingenden Fällen, die in den jeweiligen Verordnungen vorgesehen sind, jedoch einen gewissen Handlungsspielraum bei der Anordnung einer Maskenpflicht. Denkbar sind alternative gleichwertige Schutzmaßnahmen wie Homeoffice, Trennwände, Entlüftungsanlagen, Abstandsgebote etc.

Des Weiteren muss überlegt werden, in welchem Umfang eine Maskenpflicht angeordnet werden soll bzw. kann. Die Rechtsmäßigkeit einer solchen Pflicht ist nämlich fraglich, wenn das Tragen einer Maske weder den Arbeitnehmer selbst noch seine Kollegen schützen würde. Der Arbeitgeber wird sich also schwer tun, eine rechtmäßige Maskenpflicht für Situationen anzuordnen, in denen Mitarbeiter nicht mit Kollegen in Kontakt geraten. So dürfte beispielsweise die allein in einem Büro arbeitende Verwaltungsfachkraft nicht dazu verpflichtet werden, eine Maske zu tragen, solange sich keine anderen Kollegen im Büro befinden.

Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen: Verstößt ein Arbeitnehmer gegen eine rechtmäßig angeordnete Maskenpflicht am Arbeitsplatz, kann der Arbeitgeber zunächst eine Abmahnung aussprechen. Es kommt immer wieder vor, dass Arbeitnehmer keine Masken tragen, ausgegebene Masken nicht korrekt verwenden oder zu alternativen Mund-Nasen-Bedeckungen greifen, die aber keinen gleichwertigen Schutz vermitteln. Ein kurioser Fall wurde unlängst in einem Kündigungsrechtsstreit verhandelt: Der Arbeitgeber hatte die Belegschaft vielfach sensibilisiert und über die Hygiene- und Abstandsregeln informiert, insbesondere auch über die Maskenpflicht. Ein Arbeitnehmer trug aber beharrlich statt der ausgegebenen Masken einen Damenslip aus einem sehr durchlässigen Stoff als Mund-Nasen-Bedeckung, worauf ihm der Arbeitgeber kündigte. Ihm war aber davor keine Abmahnung ausgesprochen worden, die aber nach Auffassung des Arbeitsgerichts erforderlich gewesen wäre. Erst wenn sich der Arbeitnehmer also nach einer (unter Umständen mehrmaligen) Abmahnung weiterhin weigert, die Maskenpflicht einzuhalten, kann ihm verhaltensbedingt gekündigt werden. Nur in Ausnahmefällen dürfte eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtmäßig sein.

Daneben kann eine rechtswidrige Weigerung, einer rechtmäßig angeordneten Maskenpflicht Folge zu leisten, auch dazu führen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr weiterbeschäftigen kann bzw. muss. Dies ist insbesondere dann vorstellbar, wenn andere Arbeitnehmer dadurch gefährdet würden. Hier überwiegt nach derzeitiger Auffassung der Rechtsprechung unterer Instanzen die Fürsorgepflicht gegenüber den anderen Arbeitnehmern.

Ausnahmen von der Tragepflicht: Anders verhält es sich, wenn ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen kann bzw. darf. Der "Maskenverweigerer" kann also per se nicht sanktioniert werden. Es kommt auf die Gründe an, warum keine Maske getragen wird bzw. getragen werden kann.

Allein die Behauptung des Arbeitnehmers, er könne aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen, reicht jedoch nicht. Der Arbeitgeber kann von ihm einen ärztlichen Nachweis verlangen. Das Attest und die dort angegebenen Tatsachen müssen es dem Arbeitgeber ermöglichen, selbstständig zu prüfen, ob der Mitarbeiter von der Maskenpflicht befreit werden kann. Pauschale Atteste reichen deshalb nach aktuell herrschender Meinung und Rechtsprechung nicht aus, denn diese hätten – im Gegensatz zu Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen – einen sehr geringen Beweiswert. Dies lässt sich auch aus der aktuellen bayerischen Verordnung ableiten, die die Befreiung von der dort geregelten Maskenpflicht durch eine ärztliche Bescheinigung nur unter Voraussetzungen zulässt. Die Befreiung sei nur möglich, wenn das Attest folgende Angaben enthält: sachliche und medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung gemäß der "Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme" (ICD 10) sowie den Grund, warum sich hieraus eine Befreiung von der Tragepflicht ergibt. Wird ein entsprechendes Attest vorgelegt, ist der Arbeitgeber gehalten, den Arbeitnehmer von Kollegen zu isolieren und gegebenenfalls durch weitere Maßnahmen (Gesichtsvisier, Homeoffice etc.) das Weiterarbeiten zu ermöglichen.

Vergütungsfragen: Wenn sich der Mitarbeiter zu Unrecht weigert, eine Maske zu tragen, und er deswegen vom Arbeitgeber zu Recht ausgesperrt wird, ist für die Zeit der Aussperrung keine Vergütung zu zahlen.

Kann der Arbeitnehmer ohne Maske nicht ohne drohende Gesundheitsschäden eingesetzt werden und gibt es auch keine alternativen sicheren Beschäftigungsmöglichkeiten, wird dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung subjektiv unmöglich (gemäß § 275 Abs. 3 BGB). Dies führt in der Regel dazu, dass der Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung verlöscht (gemäß § 326 Abs. 1 BGB) – es sei denn, der Arbeitgeber gerät in Annahmeverzug.

Ein Annahmeverzug führt dazu, dass der Arbeitgeber den Lohn weiter zahlen muss, auch wenn der Arbeitnehmer nicht arbeitet. Ob ein Annahmeverzug vorliegt, hängt unter anderem davon ab, unter welchen Umständen der Arbeitnehmer bereit ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen, und ob er sie dem Arbeitgeber ordnungsgemäß anbietet. Der Arbeitgeber muss gegebenenfalls seinerseits vorher alle ihm zumutbaren rechtlichen Möglichkeiten im Rahmen seines Direktionsrechts und unter Berücksichtigung seiner Fürsorgepflicht ausgeschöpft und die zu erbringende Arbeitsleistung und die Arbeitsumstände konkretisiert haben. Es darf also keine alternative, beiden Seiten zumutbare Beschäftigungsmöglichkeit bzw. keinen leidensgerechten Arbeitsplatz geben, auf dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden könnte und so wieder zur Leistungserbringung im Stande wäre. Letztlich muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Voraussetzungen für einen Lohnanspruch wegen Annahmeverzugs vorliegen oder nicht.

Die Maske wird viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Pandemie-Arbeitsalltag noch einige Zeit begleiten. Arbeitgeber sollten hierbei vor allem ihre Fürsorgepflicht sowie spezialgesetzliche Regelungen beachten. Gegebenenfalls kann es nötig sein, auf individuelle "Nöte" einzelner Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen und – soweit möglich – organisatorisch umzudisponieren. Arbeitnehmer tun gut daran, eine Maskenpflicht am Arbeitsplatz zu befolgen, um Sanktionsmaßnahmen zu vermeiden und ihre Kollegen zu schützen.

Autor/in: 

Thomas Lausenmeyer ist Rechtsanwalt und Associate Partner bei der Rechtsanwalts-, Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl & Partner in Nürnberg (thomas.lausenmeyer@roedl.com, www.roedl.com).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2021, Seite 14

 
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