Geld in "grüne" Kanäle lenken
Leitfaden für nachhaltiges Wirtschaften: Welche Pflichten bringt die EU-Taxonomie für die Unternehmen?


Die Europäische Union (EU) hat das Ziel ausgegeben, die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken und bis 2050 die Klimaneutralität zu erreichen. Dazu hat sie im Rahmen des European Green Deals eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen. Die EU-Taxonomieverordnung (2020/852/EU) spielt hierbei eine zentrale Rolle: Durch die gezielte Umlenkung von Kapitalströmen sollen die Transparenz erhöht und Anreize für nachhaltiges Wirtschaften geschaffen werden.
Ziel der EU-Taxonomieverordnung
Die EU-Taxonomie ist ein einheitliches Klassifizierungssystem für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten, das Unternehmen im Anwenderkreis dazu verpflichtet, den Anteil ihrer „grünen“ Umsätze, Investitionsausgaben (CapEx) und Betriebsausgaben (OpEx) offenzulegen. Ziel der EU-Taxonomie ist es, Kapitalströme gezielt in ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zu lenken, um die Transformation hin zu einer umweltverträglichen und resilienten Wirtschaft zu finanzieren. Durch die systematische Verzahnung von Finanz- und Nachhaltigkeitsdaten werden Investoren und Gläubigern einheitliche und vergleichbare Indikatoren zur Verfügung gestellt, um die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen zu bewerten. Auf diese Weise schafft die EU-Taxonomie ökonomische Anreize für die betroffenen Unternehmen, ihre Geschäftsaktivitäten nachhaltig zu gestalten, um Finanzierungsmöglichkeiten langfristig zu sichern und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.
Anwenderkreis
Gemäß Artikel 8 der EU-Taxonomieverordnung (Tax-VO) müssen diejenigen Unternehmen, die nach der Bilanzrichtlinie 2013/34/EU zur Veröffentlichung einer nichtfinanziellen Erklärung verpflichtet sind, diese um die erforderlichen Angaben zur EU-Taxonomie erweitern. Der Anwenderkreis gemäß Bilanzrichtlinie wird wiederum durch die Non-Financial Reporting Directive (NFRD) bzw. deren Nachfolger, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), festgelegt.
Die Einführung der Offenlegungspflichten erfolgt demnach gestaffelt:
- Geschäftsjahre beginnend ab dem 1. Januar 2021: große Unternehmen, die bereits der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) unterliegen (große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern)
- Geschäftsjahre beginnend ab dem 1. Januar 2025: alle anderen großen Unternehmen (nach nationaler Umsetzung der CSRD in 2025)
- Geschäftsjahre beginnend ab dem 1. Januar 2026: alle kapitalmarktorientierten kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), mit Ausnahme von Kleinstunternehmen
Da die CSRD in Deutschland nicht fristgerecht bis zum 6. Juli 2024 in nationales Recht überführt und auch bis Jahresende 2024 kein Umsetzungsgesetz verabschiedet wurde, gilt hierzulande bis auf Weiteres weiterhin die NFRD. Aufgrund der verzögerten Umsetzung der EU-Richtlinie hat die EU bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Es ist daher damit zu rechnen, dass die CSRD im Laufe des Jahres unter einer neuen Bundesregierung im deutschen Recht verankert wird und dann bereits für das gesamte Geschäftsjahr 2025 gelten würde. Trotz der aktuellen Rechtsunsicherheit sollten alle großen Unternehmen daher davon ausgehen, dass für das laufende Geschäftsjahr 2025 ein CSRD-konformer Nachhaltigkeitsbericht inklusive EU-Taxonomieberichterstattung offenzulegen ist.
Anforderungen der EU-Taxonomieverordnung
Für Unternehmen, die ab dem Geschäftsjahr 2025 Bericht erstatten müssen, gilt ab diesem Zeitpunkt die vollständige Berichtspflicht zur EU-Taxonomieverordnung, die alle sechs Umweltziele umfasst. Erleichterungen, die in der Einführungsphase der Verordnung galten, können nicht mehr in Anspruch genommen werden.
Die Anhänge der delegierten Rechtsakte zur EU-Taxonomieverordnung legen fest, welche Wirtschaftsaktivitäten von der Taxonomie erfasst werden und welche Kriterien diese erfüllen müssen, um als „ökologisch nachhaltig“ eingestuft zu werden. Eine grundlegende Voraussetzung – wenngleich keine Garantie – für die Aufnahme einer Wirtschaftsaktivität in die Taxonomie ist ihr potenzieller Beitrag zur Erreichung mindestens eines der sechs festgelegten Umweltziele:
- Klimaschutz
- Anpassung an den Klimawandel
- nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
- Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
- Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und Ökosysteme
Zu Beginn des Berichterstattungsprozesses beurteilt das Unternehmen zunächst die Taxonomiefähigkeit seiner Wirtschaftsaktivitäten. Eine Wirtschaftsaktivität gilt dann als taxonomiefähig, wenn sie in einem oder mehreren der Anhänge zu den delegierten Rechtsakten gelistet ist und der Tätigkeitsbeschreibung entspricht. Einen praktischen Überblick über alle taxonomiefähigen Wirtschaftsaktivitäten bietet auch der von der EU kostenfrei online zur Verfügung gestellte „EU Taxonomy Compass“ (https://ec.europa.eu/sustainable-finance-taxonomy/taxonomy-compass).
Sobald feststeht, welche Wirtschaftstätigkeiten grundsätzlich von der EU-Taxonomie abgedeckt werden, ist zu beurteilen, ob diese im Einklang mit den Anforderungen der EU-Taxonomie durchgeführt werden: Um als ökologisch nachhaltig – und damit taxonomiekonform – eingestuft zu werden, muss eine Wirtschaftsaktivität die sogenannten technischen Bewertungskriterien erfüllen. Diese Kriterien sind ebenfalls in den Anhängen zu den Umweltzielen der Taxonomie festgelegt und definieren die Voraussetzungen, die sicherstellen, dass eine Aktivität einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der Umweltziele leistet, ohne dabei die anderen Ziele zu beeinträchtigen (sogenannte DNSH-Kriterien – „Do no significant harm“). Darüber hinaus ist für die Taxonomiekonformität die Einhaltung des sozialen Mindestschutzes („Minimum Social Safeguards“) erforderlich.
Nachdem die taxonomiefähigen und -konformen Anteile an Umsatzerlösen, die CapEx (capital expenditures / Investitionsausgaben für längerfristige Anlagegüter) und die OpEx (Operational Expenditures / Betriebsausgaben) ermittelt wurden, müssen diese schließlich in die vorgeschriebenen Meldebögen eingetragen und neben einigen qualitativen Angaben in einem separaten Abschnitt im Umweltkapitel der Nachhaltigkeitserklärung offengelegt werden.
Bei der jährlichen Analyse der taxonomiefähigen und -konformen Wirtschaftsaktivitäten sollten stets die regulatorischen Entwicklungen im Blick behalten werden, da eine sukzessive Erweiterung der EU-Taxonomie um neue Sektoren und Wirtschaftsaktivitäten vorgesehen ist: Erst kürzlich am 8. Januar 2025 hat die Platform on Sustainable Finance (PSF) einen Entwurf mit Empfehlungen zur Aufnahme neuer Wirtschaftstätigkeiten und zur Änderung von technischen Bewertungskriterien bereits abgedeckter Wirtschaftstätigkeiten veröffentlicht und bis 5. Februar 2025 zur Konsultation gestellt. Auf dieser Basis wird die EU-Kommission hierzu perspektivisch einen weiteren delegierten Rechtsakt erlassen.
Herausforderungen und Lösungsansätze
Die Taxonomieverordnung stellt vor allem bei der erstmaligen Umsetzung eine große Herausforderung dar. Eine erfolgreiche Implementierung erfordert eine gründliche Analyse sowie eine klare Strategie: Unternehmen sollten ihre internen Prozesse, IT-Systeme und Kontrollmechanismen frühzeitig anpassen, um die Anforderungen der Tax-VO zu erfüllen. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit den relevanten Aktivitätskategorien und den technischen Kriterien der Taxonomie kann zudem für strategische Entscheidungen, beispielweise Investitionen, von Bedeutung sein. Es empfiehlt sich, klare Verantwortlichkeiten festzulegen, interne Expertise aufzubauen und gegebenenfalls externe Unterstützung hinzuzuziehen. Aufgrund der zahlreichen Auslegungsmöglichkeiten und der mit der CSRD einhergehenden inhaltlichen Prüfungspflicht der Taxonomie-Berichterstattung sollte der Wirtschaftsprüfer frühzeitig eingebunden werden. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Prozesse prüfsicher gestaltet und dokumentiert sind.
Die EU-Taxonomie ist ein entscheidender Schritt zur nachhaltigen Transformation der Wirtschaft. Durch klare Kennzahlen und erweiterte Berichtspflichten wird sie zur Grundlage für ökologisch nachhaltige Investitionsentscheidungen. Unternehmen sollten die Umsetzung proaktiv angehen, um Finanzierungsmöglichkeiten langfristig zu sichern, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und einen glaubhaften Beitrag zu den Klimazielen der EU zu leisten.
Dr. Christian Maier ist Partner und Wirtschaftsprüfer/CPA am Standort Stuttgart der Nürnberger Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Rödl & Partner. Annalena Krueger ist Associate bei Rödl & Partner in Nürnberg (www.roedl.de).
IHK-Lehrgang Nachhaltigkeitsbericht
Einen Zertifikatslehrgang „Rechtskonform zum Nachhaltigkeitsbericht – CSRD-Manager/in (IHK)“ bietet die IHK-Akademie Mittelfranken ab Montag, 10. März an. Er umfasst acht Online- und Präsenzbausteine, die sich bis Ende Juli erstrecken. Einige der Themen: Grundlagen CSRD und ESRS, Analyse der Wertschöpfungskette, Wesentlichkeitsanalyse, Ermittlung der erforderlichen Datenpunkte, Aufbau von Reporting-Strukturen im Unternehmen sowie Erarbeitung einer Nachhaltigkeitsstrategie.
Webcode: N1035