Was kann ich gut?
Projekt „BeruflICH“: Jugendliche entdecken beim Theaterspiel ihre Stärken und Träume.


Junge Menschen bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit und bei der Berufsorientierung begleiten: Dazu will das Projekt „BeruflICH“ beitragen, das von der IHK-Kulturstiftung der mittelfränkischen Wirtschaft unterstützt wird. Es soll den jungen Leuten dabei helfen, konkrete Perspektiven für ihre Zukunft zu entwickeln.
Auf der Bühne eines Schulauditoriums sitzen 15 Jugendliche im Kreis. Vor ihnen liegt ein Haufen bunter Karten mit traumhaften, surrealen Motiven. „Wie soll eure Zukunft aussehen?“, fragt Theaterpädagogin Lisa Stützer. Nach einer kurzen Stille beginnen die Jugendlichen, eine Karte nach der anderen aufzunehmen, zu betrachten und auszuwählen. Ein Junge nimmt eine Karte, auf der eine endlos nach oben steigende Treppe zu sehen ist. „Das ist mein Weg zu einer guten Zukunft, immer höher“, sagt er leise. Ein anderer Junge präsentiert seine Karte: „Ich habe diese hier, weil ich irgendwann ein Ziel habe, das ich erreichen will. Es ist wie ein Gewinn.“ Diese Momentaufnahme zeigt, dass das innovative Projekt nicht nur eine Orientierungshilfe, sondern auch eine Bühne für Träume, Ängste und Visionen ist. Aber vor allem ist es ein Ort, an dem Jugendliche lernen, ihre eigene Stärke zu erkennen und daran zu glauben, dass sie die ersten Schritte in die Zukunft mit Zuversicht gehen können.
Ihr Engagement ist gefragt!
Möchten Sie junge Menschen bei der Persönlichkeitsentwicklung und der beruflichen Orientierung fördern? Die IHK-Kulturstiftung sucht Co-Sponsoren für ihre Projekte. Dirk von Vopelius, Vorsitzender des Stiftungsvorstandes, berät gerne, wie Sie gezielt unterstützen können.
IHK-Kulturstiftung, Dirk von Vopelius
kulturstiftung@nuernberg.ihk.de
Mit Theaterpädagogik zur Berufsfindung
Das Projekt „BeruflICH“, das von Lisa Stützer entwickelt wurde und über sie durch den Verein Wundersam anders e. V. verbreitet wird, richtet sich an Schülerinnen und Schüler der 8. bis 10. Klassen und geht weit über die traditionelle Berufsorientierung hinaus. „Hier geht es nicht nur darum, Berufe kennenzulernen“, erklärt Lisa Stützer. „Ich setze bei den Jugendlichen selbst an, bei ihren Wünschen, Stärken und auch bei ihren Unsicherheiten.“
In zwei aufeinander aufbauenden Workshop-Phasen – „SchulICH“ und „BeruflICH“ – werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer behutsam an diese Fragen herangeführt: Wer bin ich? Was kann ich? Und was möchte ich erreichen? Die Methode ist so ungewöhnlich wie wirkungsvoll: Theaterpädagogik. Mit Übungen wie Improvisation, Rollenspielen und Reflexionsrunden wird ein geschützter Raum geschaffen, in dem die Jugendlichen ihre Persönlichkeit erkunden und ihre beruflichen Möglichkeiten ausloten können.
Vom Wunsch zur greifbaren Zukunft
In der ersten Phase „SchulICH“ geht es darum, das individuelle „Ich“ zu entdecken begleitet von der Frage „Wie soll meine Zukunft aussehen?“. Das sei für viele eine Frage, die sie so noch nicht gestellt bekommen haben, meint Stützer. Mithilfe von Übungen wie der oben beschriebenen Bildkarten-Reflexion, Improvisationsübungen, Körper- und Stimmübungen und Szenenspiel entstehen Wertelisten, mit denen die Jugendlichen erkennen, ob sie beispielsweise besonders hilfsbereit, ehrlich oder zielstrebig sind. Sie helfen, grundlegende Interessen und Stärken zu identifizieren, die dann im zweiten Workshopteil genutzt werden, um sich unterschiedlichen Berufen zu nähern. Eine Teilnehmerin, die zunächst keine Vorstellung hatte, flüsterte der zertifizierten Theaterpädagogin zu: „Ich mag fotografieren.“ Für sie öffnete sich im Laufe des Workshops die Tür zu einer möglichen Zukunft mit Praktikum und Ausbildung in einem Fotogeschäft.
Die zweite Phase „BeruflICH“ bringt die Erkenntnisse des ersten Teils in Zusammenhang mit der Arbeitswelt. Die Jugendlichen dürfen jetzt Berufe spielerisch erkunden. Sie probieren beim Szenenspiel typische Situationen aus – sei es ein Bewerbungsgespräch, ein Tag als Mechatroniker, das Probieren eines Gerichts als Köchin oder Koch oder der Gäste-Check-in an einer Rezeption. Durch das Einnehmen von Standbildern und das Arbeiten mit Spiegelübungen setzen sich die Jugendlichen zudem intensiv mit ihrer eigenen Haltung auseinander. „Es ist allgemein eine Herausforderung, die Jugendlichen zur Bewegung, zum ,Spielen‘ und Albern zu kriegen“, meint Stützer. „Generell knacke ich sie aber relativ schnell.“ So haben sie z. B. die Gelegenheit, sich spielerisch Berufe gegenseitig „zuzusprechen“: „Ich sehe dich als Mechatroniker/-in“ oder „Ich sehe dich als Hotelfachmann/-frau“. Dabei reflektieren sie nicht nur ihre eigenen Fähigkeiten, sondern auch die Einschätzungen ihrer Mitschüler. Ergänzt wird dies durch gezielte Fragen wie: „Möchtest du lieber drinnen oder draußen arbeiten?“, „Wie viele Stunden am Tag möchtest du arbeiten?“, „Willst du selbstständig oder im Team arbeiten?“ oder „Bevorzugst du handwerkliche Tätigkeiten oder den Umgang mit dem Computer?“ Diese Überlegungen helfen den Jugendlichen, ein realistisches und reflektiertes Bild ihres zukünftigen Berufs zu entwickeln und selbstbewusste Entscheidungen zu treffen. Ziel ist es dann, beim „Berufebasar“ einen Beruf zu finden. Auf dem Boden liegen Zettel mit Berufen und die Jugendlichen können sich in Ruhe umsehen, um eine Wahl zu treffen.
Erfolgreiche Beispiele
Die Erfolge sprechen für sich: In etwa 80 Prozent der Fälle verlassen die Jugendlichen den Workshop mit einer klaren Vorstellung, welchen Beruf sie anstreben möchten. Ein Beispiel von vielen war ein Jugendlicher mit schlechten schulischen Leistungen. Am Ende hatte er einen klaren Plan, wie er seinen Traumberuf Rettungssanitäter erreichen kann. Auf seiner Liste standen nicht nur ein Praktikum und ein Erste-Hilfe-Kurs, sondern auch die Teilnahme am Schulsanitätsdienst, die er mit Unterstützung seines Lehrers umsetzen konnte. Diese zielgerichteten Schritte hatten positive Auswirkungen – u. a. verbesserten sich seine schulischen Leistungen. Außerdem berichten die Teilnehmer, durch den Workshop sei ihnen klar geworden, wie wichtig Mut, Selbstbewusstsein und Freude im Leben und im Beruf sind. Und sie sagen, dass sie Hoffnung für ihren eigenen Weg geschöpft haben.
Projekt mit Aussicht
180 Jugendliche hat Lisa Stützer im Jahr 2024 kreativ unterstützt. 2025 können wieder ca. 270 Schülerinnen und Schüler teilnehmen und von dem Projekt profitieren. Dafür müssen sich Interessenten einfach bei ihr melden. „Der Bedarf ist da“, sagt Lisa Stützer. Das hat sie bereits durch ihr Vorgängerprojekt „EinzigartICH“ erkannt, das auf Persönlichkeitsentwicklung abzielte und ebenfalls von der IHK-Kulturstiftung gefördert wurde. Damit spielt sie auf die Auswirkungen der Pandemie an, die bei vielen Jugendlichen Hobbys und soziale Kontakte wegbrechen ließ. „Manche wissen nicht einmal mehr, was sie mögen“, so die Theaterpädagogin. Abseits des Klassenzimmers und ohne Lehrkraft öffnen sich ihr die Jugendlichen dann ganz anders. „Es geht darum, ihnen einen Funken Hoffnung und Selbstvertrauen zu geben“, erklärt Stützer. „Denn im besten Fall ist der eigene Beruf mehr als ein Job.“ Wer also möglichst früh in die Welt des Theaters eintaucht, hat es im Jugendalter oft leichter, sich auf die Bühne des Lebens zu wagen und sich dort zu bewegen. Deshalb bietet Lisa Stützer auch Workshops für Kinder und Jugendliche an – auch in Ihrem Unternehmen.
IHK-Kulturstiftung als Förderer
Das Projekt „BeruflICH“ wird von der IHK-Kulturstiftung unterstützt, die 1993 anlässlich des 150-jährigen Bestehens der IHK Nürnberg für Mittelfranken gegründet worden war und Kultur- und Bildungsprojekte in Mittelfranken fördert. „Der Fokus liegt darauf, Jugendlichen abseits des Schulalltags, in dem oft gespart wird und kulturelle Angebote zu kurz kommen, ein Erfolgserlebnis und einen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung zu ermöglichen. Insbesondere künstlerische Aktivitäten wie Musik, bildende Kunst oder Theater spielen dabei eine zentrale Rolle“, so Dirk von Vopelius, der von 2010 bis 2020 IHK-Präsident war und sich weiterhin als Vorsitzender des Stiftungsvorstands der IHK-Kulturstiftung engagiert. „Gerade junge Menschen, die bisher keine Erfolgserlebnisse hatten, erleben durch den Applaus auf der Bühne oft einen Wendepunkt. Ein Moment, der ihnen auch im Bewerbungsgespräch mehr Selbstbewusstsein und Haltung gibt.“ Neben „BeruflICH“ wurden 2024 u. a. neun weitere Tanz- und Theaterprojekte, Kinder-Mitmach-Konzerte und musikalische Bildungsangebote unterstützt. (ks.)
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