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Die Infrastruktur auf der Brenner-Strecke der Hauptverkehrsader von und nach Italien ist arg in die Jahre gekommen: Die Statik der Brücken auf der Brenner-Autobahn wurde gemäß den Anforderungen der 1950er Jahre dimensioniert, einige Bauwerke sind marode. Neubauten und umfassende Sanierungen sind also unausweichlich – aus Gründen der Sicherheit und um den heutigen Verkehrsströmen gerecht zu werden.


Ein Großprojekt ist der Neubau der Lueg-Brücke in Tirol, der gerade begonnen wurde und bis 2027 dauern wird. In der Zeit der Bauarbeiten wird der Personen- und Güterverkehr stark beeinträchtigt sein. Bei der „Brenner-Konferenz“ der bayerischen IHKs im „Haus der Wirtschaft“ der IHK Nürnberg für Mittelfranken wurden Möglichkeiten diskutiert, die Belastungen der Wirtschaft möglichst gering zu halten. Mitinitiator war die Deutsch-Italienische Auslandshandelskammer (AHK), eingebunden waren auch die AHKs Slowenien und Schweiz sowie die Handelskammer Bozen und die Wirtschaftskammer Tirol.


Neubau der Lueg-Brücke in Österreich


Der Neubau der Lueg-Brücke wird den Verkehrsteilnehmern in den kommenden Jahren viel Geduld abverlangen und die Logistikwirtschaft stark belasten. Der „Alptraum einer Vollsperrung“ werde allerdings durch ein Bündel an Maßnahmen vermieden, wie Stephan Siegele erläuterte. Er ist Chef der österreichischen Asfinag Alpenstraßen GmbH, die die Bauarbeiten koordiniert. Geplant sind folgende Maßnahmen:

 

  •  grundsätzlich nur einspurige Verkehrsführung in beide Fahrtrichtungen
  •  An rund 170 Tagen im Jahr wird es jedoch eine zeitweise Zweispurigkeit mit einer flexiblen Verkehrsführung geben – je nach Bedarf entweder in Richtung Norden oder Süden. Pkw können beide Spuren nutzen. Aber schwere Fahrzeuge mit über 3,5 Tonnen müssen auf der Innenseite der Brücke, also auf der linken Spur, fahren, um das Tragwerk zu entlasten. Mit einem Kontrollsystem und Verkehrsbeeinflussungsanlagen wird gewährleistet, dass die Regeln eingehalten werden.
  • Allerdings sind an mehreren dutzend Tagen im Jahr 2025 tageweise Fahrverbote für Lkw notwendig. Die Maßnahmen werden ständig angepasst, sodass man sich immer aktuell informieren sollte (siehe auch Info-Kasten Seite 16).


Trotz dieser Maßnahmen werden die Handels- und Lieferketten durch die einspurige Verkehrsführung der Lueg-Brücke massiv betroffen sein. „Das ist noch nicht in der kompletten Breite der Unternehmen angekommen“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Markus Lötzsch mit Blick auf die in-tensiven Import- und Exportbeziehungen zwischen Italien und Deutschland. Auch für die Metropol-region Nürnberg sei Italien einer der wichtigsten Wirtschaftspartner. Bei der NürnbergMesse steht Italien bei den Ausstellern und Besuchern auf Platz eins des Länder-Rankings. Und nicht zu vergessen die Beliebtheit Bayerns bei italienischen Touristen und umgekehrt, die die Brenner-Autobahn natür-lich ebenfalls befahren.


Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter, der per Videoschalte zu den Teilnehmern der Konferenz sprach, berichtete, die Staatsregierung strebe gemeinsame Lösungen mit den Partnern in Österreich an. Denn mit 2,5 Mio. Lkw und 11,6 Mio. Pkw pro Jahr sei der Brenner die Alpen- und Transportachse schlechthin. Überlegenswert wäre ein Slotsystem (Buchung der Durchfahrt im Voraus). Dem würde Bayern aber nur zustimmen, wenn Tirol zu Zugeständnissen bei der Blockabfertigung und beim Nachtfahrverbot bereit wäre.


Georg Dettendorfer, Vorsitzender des Verkehrs-ausschuss der Deutschen Industrie- und Han-delskammer (DIHK), sagte, das eigentliche Pro-blem sei nicht eine einzelne Brückensanierung, sondern dass die gesamte Verkehrsinfrastruktur 30 Jahre lang kaputtgespart worden sei. Der Zu-stand der Straßen, Schienen und Brücken sei eine Katastrophe, mittlerweile sei ein Kipppunkt er-reicht. Es brauche konsequente Lösungen, zumal das Verkehrsaufkommen weiter steigen werde. Die Politik habe die Brisanz des Themas zwar er-kannt, aber die Realisierung wichtiger Vorhaben dauere viel zu lange. Als Beispiele nannte er das neue Terminal für den kombinierten Verkehr (KV-Terminal) in Gersthofen bei Augsburg und den Brenner-Nordzulauf.

Wie sind Unternehmen betroffen?

Bei der „Brenner-Konferenz“ machten Unternehmer aus der Logistikbranche deutlich, welche konkreten Folgen der Engpass auf der Brenner-Strecke in der Praxis hat. Tobias Köcher von der Schwarz Logistik GmbH aus Nürnberg wies auf die enge Taktung in der Transportwirtschaft hin: „Die moderne Wirtschaft erfordert Zeitfenster von 15 Minuten. Dazu kommen die Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer, zusätzliche Kosten für Kühlung, steigende Mautgebühren, sektorale Einschränkungen und Wetterereignisse.“ Gerade bei der Lebensmittellogistik führe das zu Problemen. Helfen könnten nur mehr Zeit, mehr Fahrzeuge und eine enge Kundenkommunikation. Viele Kunden seien aber immer noch überrascht, wenn sie von der Sanierung der Lueg-Brücke hörten. Als Spedition mit circa 50 Lastwagen habe man nicht die Möglichkeit, in großem Maße multimodal auch über die Schiene zu transportieren. Darum drängt Köcher auf eine „enge Zusammenarbeit von Politik, Unternehmen und Gesellschaft“, um die Auswirkungen der Bauarbeiten möglichst gering zu halten.


Markus Mallmann, Geschäftsführer bei der GVS Lebensmittelhandel GmbH & Co. Handelsges. KG aus Nürnberg, erwartet zu Baubeginn Chaos auf der Brenner-Strecke und hat deshalb zusätz-liche Lastwagen eingeplant. Zudem müsse man mit mehr Lagerflächen arbeiten, Just-in-time-Lieferungen seien kaum mehr möglich. Gerade bei Lebensmitteln wie Büffelmozzarella mit einem Haltbarkeitsdatum von wenigen Tagen könne es Probleme geben. Die zusätzlichen Kosten werde man wegen der knappen Margen auf die Kunden umlegen müssen.


Bei der Konferenz machten die Vertreter der beteiligten Kammern deutlich, dass die Sanierung der Brenner-Strecke auch die Wirtschaft in ihren Län-dern umtreibt. So etwa Dr. Thomas Baumgartner von der Handelskammer Bozen, demzufolge der Brenner für Italien „lebenswichtig“ sei. 70 Prozent der Güter gingen über die Alpen. Dabei sei der Warenverkehr nicht das zentrale Problem, vielmehr würden die Staus vor allem am Wochenende durch die Pkw verursacht. Es sei deshalb unverständlich, dass die Politik in Tirol vor allem die Lkw durch Fahrverbote, Blockabfertigung und Baustellen ausbremse. Er warnte auch vor übertriebenen Hoffnungen, was die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene angeht, die nur begrenzt aufnahmefähig sei. Rebecca Kirchbaumer von der Wirtschaftskammer Tirol setzt auch keine Hoffnung in die vielfach geforderte Abschaffung des Nachtfahrverbots für Lkw. Die Politiker in Tirol wüssten, dass dies in der Bevölkerung nicht durchsetzbar sei.

Mögliche Ausweichrouten

Diskutiert wurde, ob sich während der Bauarbeiten am Brenner Ausweichrouten anbieten. Slowenien sei mit seinen zwei Korridoren eine Alternative für die Brennerumfahrung, meinte Katja Stadler von der Deutsch-Slowenischen Auslandshandelskammer (AHK). Diese Möglichkeit stieß aber aufgrund der weiten Umwege und der hohen Kosten, die auf die Kunden umgelegt werden müssten, auf Skepsis bei den anwesenden Logistikunternehmern. Immerhin hat in Slowenien die Bahn oberste Priorität, wie Aleš Mihelič von der staatlichen slowenischen Eisenbahngesellschaft Slovenske železnice betonte. Innerhalb von zehn bis 20 Jahren wolle man die Kapazität der Schiene verdoppeln.


Hans-Peter Hefti von der Deutsch-Schweizerischen AHK brachte den Umweg durch die Schweiz ins Spiel: „Straße und Schiene haben noch Kapazitäten.“ Doch auch dort sei die Abschaffung von Auflagen wie Nachtfahrverbot, Schwerverkehrsabgabe und Tunnelgebühr politisch nicht durchsetzbar. Das bestätigte Dr. Arnold Berndt vom Bundesamt für Verkehr in der Schweiz. Auch die Schweiz wolle die Zahl der Lkw-Fahrten über die Alpen begrenzen, weshalb es langfristige, über Jahrzehnte reichende Investitionspläne für die Schiene gebe. Diese empfiehlt er auch anderen Ländern, um für mehr Planungssicherheit zu sorgen.


Für eine „Renaissance der Eisenbahn im europäischen Raum“ könnte die für 2032 geplante Inbetriebnahme des Brennerbasistunnels sorgen. Das hofft Martin Ausserdorfer, Aufsichtsrat der Projektgesellschaft Brenner Basistunnel (BBT) mit Sitz in Bozen. Bis heute gebe es in Deutschland, Österreich und Italien unterschiedliche Signalsysteme, Sicherheitsprofile und gewerkschaftliche Anforderungen. Mit einer Vereinheitlichung könnte man Zeit und Geld sparen. Derzeit passieren täglich 200 Züge die alte Strecke, damit sei die Kapazität erschöpft. Durch den Brennerbasistunnel können künftig bis zu 400 Züge täglich fahren. Die Fahrt von München nach Verona soll dann nur noch zweieinhalb Stunden dauern, statt derzeit rund fünfeinhalb Stunden mit der schnellsten Zugverbindung. Bis die Züge tatsächlich in dieser Geschwindigkeit rollen, dürfte aber noch Zeit vergehen. In Südtirol geht es mit dem Tunnel und den Zulaufstrecken voran, aber auf deutscher Seite schleppt sich die Planung für den Brenner-Nordzulauf dahin. Er soll in den 2040er Jahren fertig sein. Im „Feuerbachsaal“ der IHK waren sich die Verkehrsexperten einig, dass Lkw-Fahrverbote in Tirol und die deutsche Selbstblockade beim Brenner-Zulauf nicht die Lösung der Verkehrsprobleme sein könnten. Ein Blick in Nachbarländer wie die Schweiz mit ihrer langfristigen Investitionsplanung für Verkehrsprojekte erschien angesichts dieser Probleme als vorbildhaft.

www.ihk-nuernberg.de/meldungen/details/bihk-brennerkonferenz

Autorin: Antje Schweinfurth

Länderübergreifende Diskussion: IHK-Hauptgeschäftsführer Markus Lötzsch, Martin Ausserdorfer (Brenner Basistunnel), Moderator Michael Cordes, Arnold Berndt (Bundesamt für Verkehr Schweiz), Tobias Köcher (Schwarz Logistik), IHK-Verkehrsreferentin Amelie Frieß, Thomas Baumgartner (Handelskammer Bozen), Katja Stadler (Deutsch-Slowenische AHK), Georg Dettendorfer (DIHK-Verkehrsausschuss), Aleš Mihelič (slowenische Eisenbahngesellschaft), Markus Mallmann (GVS Lebensmittelhandel), Hans-Peter Hefti (AHK Deutschland- Schweiz) und Dr. Udo Raab (IHK).
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Info für Unternehmen

Die Asfinag, die Betreibergesellschaft der österreichischen Autobahnen- und Schnellstraßen, stellt auf ihrer Homepage umfangreiche Informationen zur Lueg-Brücke bereit. Beispielsweise kann ein „Fahrkalender 2025“ heruntergeladen werden, dem die Verkehrsregelungen (u. a. Tage mit Ein- und Zweispurigkeit und mit Lkw-Fahrverboten) zu entnehmen sind (www.asfinag.at/bauen-erhalten/bauprojekte/a-13-brenner-autobahn-luegbruecke/).

Die Verkehrsauskunft Österreich bietet ein kostenfreies Lkw-Routing-Tool an, das Optionen für die Italien-Verkehre über den Brenner aufzeigt. In Echtzeit werden Verkehrsdaten aus Österreich, Bayern, der Schweiz und Südtirol eingespielt. Außerdem wird das Fahrplanangebot der „Rollenden Landstraße“ ab Wörgl hinterlegt (www.verkehrsauskunft.at).

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