Forscher gehen in den Betrieb
Künstliche Intelligenz: Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz (KI) gelten mittlerweile als großer Beschleuniger für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen praktisch quer durch alle Branchen.
Bei kleinen Betrieben setzt bislang aber nur ein geringer Teil KI ein. Vor diesem Hintergrund rückt die Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm (Ohm) das Potenzial für die mittelständische Wirtschaft hervor. Ihr 2021 gegründetes Zentrum für Künstliche Intelligenz (KIZ) entwickelt und implementiert abseits der großen KI-Lösungen pragmatische Lösungen für kleine und mittlere Betriebe, um Produktionsprozesse zu vereinfachen. Die Hochschule trage nun verstärkt ihre KI-Kompetenz in Unternehmen und Kommunen, sagte Ohm-Präsident Prof. Dr. Niels Oberbeck.
Unter der Regie der beiden Professoren Dr. Tobias Bocklet und Dr. Korbinian Riedhammer unterstützt das KIZ den KI-Wissenstransfer durch angewandte Forschung und Weiterbildung. Im Fokus stehen die vier Bereiche Produktionsoptimierung und Qualitätssicherung, Unterstützung betriebswirtschaftlicher Analysen, Auswertung unstrukturierter Daten sowie das Gesundheitswesen. Der Prozess ist dabei immer ähnlich: Zunächst wird das System mit Daten und entsprechenden Labels gefüttert, also definierten Kategorien, die für konkrete Trainingsdaten wichtig sind. In dem folgenden Schritt wird das KI-Modell mit neuen Daten gefüttert und so „trainiert“.
Ein Beispiel ist der „Semmeldetektor“, den das KIZ für einen Backfilialisten realisiert hat: Dieser lässt damit die unverkauften Brötchen-Rückläufer erfassen und klassifizieren. Als Datengrundlage dienen jeweils 1 000 Bilder einzelner Gebäckstücke. Die KI-Erfassung entlastet die Arbeitskräfte und senkt den Ausschuss, weil durch die KI-Auswertung die einzelnen Filialen genauer mit Sorten und Mengen beliefert werden können. Dadurch spare der Bäcker alljährlich einen mittleren fünfstelligen Euro-Betrag. Mit einem ähnlichen Prinzip unterstützt das KIZ auch ein Sägewerk: Dort wurde bislang die Holzqualität, die über den Holzpreis entscheidet, vor der Verarbeitung mit bloßem Auge geprüft. Künftig soll eine KI den Fäulnisanteil des Holzes schneller, zuverlässiger und objektiver ermitteln. Waldbesitzer interessieren sich auch schon für die Lösung, mit der sich per Smartphone-Foto von geschlagenem Holz der voraussichtliche Preis frühzeitig ermitteln lässt. Eine andere KIZ-Lösung hilft bei der Qualitätssicherung in der Industrieproduktion von bedruckten Glasflaschen. Mit Kameras lassen sich auch frühzeitig Fehler schneller identifizieren und die Produktionsparameter anpassen. Im Gesundheitsbereich führt das KIZ gerade bei einem großen Pflegeheimbetreiber eine KI ein, um mit Sprachdaten, also der Auswertung von Stimmen der Bewohner, eine Demenz frühzeitig zu erkennen.
Das KIZ tüftelt mit Projekten in drei Firmen daran, wie Angebote bei einer Ausschreibung automatisch nach Erfolgsaussichten bewertet werden können. Bei Automobilzulieferern oder Sondermaschinenbauern werden zunächst Ähnlichkeitsanalysen mit früheren Angeboten durchgeführt. Dafür werden unter anderem Informationen aus SAP-Datenbanken und Excel-Daten z. B. zu Stückzahl, Materialart und Typ sowie Nachkalkulationen abgerufen. Außerdem zieht das System Text- und Bildanalysen heran und arbeitet mit Sprachinformationen.
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