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IHK-Wahl 2024 – Die Ergebnisse stehen fest!
Veronika Grimm bei ihrem Vortrag im "Haus der Wirtschaft"

Wachstumsschwäche überwinden – in die Zukunft investieren": Unter diesem Titel stand der Vortrag von Prof. Dr. Veronika Grimm beim IHK-Kammergespräch. Das Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ("Wirtschaftsweise") stellte das Jahresgutachten 2023/24 dieses Expertengremiums vor. Das mehr als 400 Seiten starke Gutachten beschreibt nicht nur die aktuelle Lage der deutschen Wirtschaft, sondern auch konkrete Vorschläge, wie die aktuellen Probleme und Schwächen des Standortes überwunden werden könnten. Grimm ist derzeit Volkswirtschaftsprofessorin an der Universität Erlangen-Nürnberg und wird an die neue, im Aufbau befindliche Technische Universität Nürnberg (UTN) wechseln.

IHK-Präsident Dr. Armin Zitzmann begrüßte die Wissenschaftlerin, die im Jahr 2022 mit der IHK-Ehrenmedaille ausgezeichnet wurde, im Atrium des "Hauses der Wirtschaft". Das schwache Wachstumspotenzial der deutschen Wirtschaft treibe auch die mittelfränkischen Unternehmen um. Der demografische Wandel und Hürden bei der Einwanderung von Fachkräften seien weitere zentrale Herausforderungen für die Unternehmen. Mit Blick auf den dringend notwendigen Klimaschutz forderte der IHK-Präsident marktwirtschaftliche Lösungen und Offenheit für unterschiedliche Technologien.

Prof. Veronika Grimm unterstrich ebenfalls die Bedeutung der Fachkräfte-Einwanderung, auch mit Blick auf eine zukunftsfähige Rentenversicherung. Belastend für das System sei die Rente mit 63 Jahren: "Wir schicken ältere Menschen zu früh in die Rente." Man müsse das Erwerbspotenzial von Älteren, aber auch von Frauen noch besser heben. Wichtige Hebel dafür könnten die Abschaffung des Ehegattensplittings und ein gutes und zeitlich flexibles Angebot für die Kinderbetreuung sein.

Mit Blick auf die Konjunktur erinnerte die VWL-Professorin daran, dass sich das deutsche Bruttoinlandsprodukt wieder auf dem Vor-Corona-Niveau befindet. Angesichts wackeliger Lieferketten und hoher Energiekosten habe sich das verarbeitende Gewerbe aber langsamer erholt als der Dienstleistungssektor. Die Weltkonjunktur sei weiterhin durch niedrige Exporte und Chinas schwache Binnenkonjunktur gekennzeichnet. Auch die Folgen der russischen Invasion in der Ukraine und eine mögliche Ausweitung des Nahostkonflikts auf die ölexportierenden Länder seien wirtschaftliche Unsicherheitsfaktoren. Mit Blick auf Fernost warnte sie: "Ein militärischer Konflikt um Taiwan wäre für die deutsche Wirtschaft eine Katastrophe."

Wie steht es mit der Inflation?

Wichtig wäre es aktuell aus Sicht der Sachverständigen, die Verbraucher nicht zu verunsichern. Immerhin hätten sich die Realeinkommen durch die vergleichsweisen hohen Tarifabschlüsse erholt, und auch die Sparquote habe sich normalisiert. Bei der Geldpolitik dämpfte sie die Hoffnung auf eine schnelle Zinssenkung im ersten Halbjahr 2024. Zwar hätten sinkende Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln und Energie die Inflationsrate auf etwas über drei Prozent gesenkt. Allerdings sei die Kerninflation (Verbraucherpreise für Güter und Dienstleistungen ohne Nahrung und Energie) nach wie vor hoch. Deshalb könne die Europäische Zentralbank (EZB) nicht zu früh mit der straffen Geldpolitik aufhören. Der letzte Schritt, um die Inflationsrate auf wieder rund zwei Prozent zu drücken, sei der schwierigste.

Wachstum und höhere Steuereinnahmen seien auch notwendig, um die klimagerechte Transformation der Wirtschaft zu finanzieren. Sie verursache zunächst hohe gesamtwirtschaftliche Kosten, durch die notwenigen Ersatzinvestitionen werde die volkswirtschaftliche Produktivität erst einmal nicht steigen. Aus Sicht der Volkswirtin ist nun eine gute Gelegenheit, die CO2-Bepreisung weiter zu erhöhen: "So haben wir einen Lenkungsprozess und erzielen Einnahmen." Wichtig war ihr in diesem Zusammenhang der Hinweis auf das sogenannte Klimageld, um die sozialen Härten der Klimaschutzmaßnahmen abzufedern. Die Idee hinter dem von der Ampel-Regierung beabsichtigten Klimageld, das noch auf sich warten lässt: Finanziell nicht gut gestellte Bürger sollen als Ausgleich für klimafreundliche Maßnahmen (z. B. Einbau von neuen Heizkesseln) Einnahmen aus der CO2-Bepreisung erhalten. Auf diese Weise ließen sich auch weitere Verteuerungen fossiler Energieträger für einkommensschwache Haushalte ausgleichen. Dies sei wichtig, um in der Gesellschaft die Akzeptanz für die Klimapolitik zu erhalten.

Jedoch rechnet die VWL-Professorin damit, dass sich im Jahr 2025 wieder ein größeres Loch in der Staatskasse auftun wird. Zudem beginne drei Jahre später die Tilgung der Corona-Schulden, was die politischen und finanziellen Verteilungsspielräume weiter einengt. "Das wird hochbrisant", so ihre Befürchtung vor dem Hintergrund des Aufstiegs der AfD.

Autor/in: (tt.)

Aufzeichnung und Ausschnitte des Vortrags: www.ihk-nuernberg.de/kammergespraech-grimm

Webcode: N494