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Barbara Lauterbach, geboren 1960 in Nürnberg, war nach einer Fremdsprachen-Ausbildung zunächst bei Unternehmen tätig. 1994 wechselte sie zum Süddeutschen Verband reisender Schausteller und Handelsleute e. V. in Nürnberg, wo sie seitdem für Werbung, Marketing und PR verantwortlich war. Sie wirkte in dieser Funktion wesentlich an der Fortentwicklung der Nürnberger Volksfeste und der Nürnberger Kinderweihnacht mit und beendet nun nach 30 Jahren ihre Tätigkeit beim Schaustellerverband.

Frau Lauterbach, nach 30 Jahren im Schaustellergeschäft: Was hat sich in dieser Zeit auf Volksfesten am meisten geändert?
Begonnen habe ich 1994 als Quereinsteigerin. Eigentlich hatte ich kaum Bezug zum Volksfest. Ich trinke kein Bier, trage kein Dirndl, fahre keine Fahrgeschäfte und meide Menschenmassen. Allerdings haben mich die Freiheiten der Aufgabe überzeugt, mich auf diese Herausforderung einzulassen. 1994 war ja Homeoffice noch die Ausnahme, aber der Schaustellerverband war hier als Arbeitgeber schon extrem fortschrittlich. Arbeit und Kleinkind konnte ich so vereinbaren. Die Aufgaben waren anfangs natürlich ganz andere. Man arbeitete noch nicht mit Handys und ohne Internet. Ich pendelte bei Bedarf mit Disketten vom Homeoffice ins Büro. Aber der Schaustellerverband ging – wie das ganze Gewerbe – schon immer mit der Zeit, die Digitalisierung schritt rasch voran. Wir waren auch einer der ersten Veranstalter mit einer eigenen Webseite.

Die Fülle der Konkurrenzveranstaltungen zwang dazu, das Profil des Nürnberger Volksfests deutlich zu schärfen. Faktoren wie Aufenthaltsqualität und Aufenthaltsdauer wurden gezielt weiterentwickelt. Ein Ergebnis sind die Thementage, etwa zu Nürnbergs Partnerstädten mit passendem Kulturprogramm, die "Ladies Night" oder Familiensonntage mit kostenlosem Programm wie Bulldog-Treffen und Aktionen mit Nürnberger Museen und Kulturbetrieben. Bestens kommt auch der "Volksfest-Biathlon" an, den wir mit dem Post SV veranstalten, Bayerns größtem Breitensportverein. Er besteht aus dem Wettlauf über den Festplatz und dem Schießen an der Schießbude. Mit dem "Azubi-Speed-Dating" im Riesenrad bringen wir Schulabgänger und Ausbildungsbetriebe zusammen. Ein Konzept, das auch von der Bayerischen Staatsregierung ausgezeichnet wurde. Außerdem haben wir das Volksfest als Lernort etabliert. Schulklassen können mit einem eigens erstellten Arbeitsheft Naturwissenschaften "erfahren". Und die Berufsschulen können Schülerinnen und Schüler vor Ort an die Praxis heranführen. Das alles hat uns besonders gemacht und neue Zielgruppen auf den Festplatz, aber auch diverse Ehrungen gebracht.

In welchen Bereichen sehen Sie die größten Herausforderungen und Veränderungen auf die Branche zukommen?
Die größten Herausforderungen sind derzeit die Hintergrundkosten, die sich direkt auf die Schausteller auswirken. Personal- und Lieferkettenprobleme, Energie- und Bürokratiekosten machen den Betrieben zu schaffen. Die Feste sollen für alle erschwinglich bleiben. Die Kostenspirale wird zum gesellschaftlichen Problem, die Kommunen sehen wir deshalb zur Unterstützung dieses jahrhundertealten Kulturguts aufgefordert. Wenn Schausteller-Traditionsveranstaltungen sterben, bricht für die Städte ein wichtiger Wirtschaftsfaktor weg, aber auch ein analoger Treffpunkt, an dem alle Bevölkerungsschichten, Generationen und Nationalitäten zusammenkommen. Volksfeste wirken verbindend in dieser Zeit, in der die Gesellschaft überall auseinanderzudriften droht. Diesen Anspruch habe ich auch an meine Arbeit: Letztendlich möchte der Schaustellerverband, möchte ich damit einen Beitrag zur Vielfalt und zum friedlichen Miteinander leisten.

Jenseits der üblichen Volksfest-Attraktionen haben Sie auch der Kultur und der Bildung Raum auf dem Festplatz gegeben. Wie haben Sie das konkret gemacht?
Ich wollte mit meiner Netzwerkarbeit immer in die Stadtgesellschaft hineinwirken. Deshalb bin ich schon etwas stolz darauf, dass ich nahezu alle Nürnberger Museen und etliche Kulturbetriebe einbinden konnte. Die renommierte "Pocket Opera Company" gastierte auf dem Festplatz. Das Staatstheater probte unter "Realbedingungen" das Stück "Kasimir und Karoline". Ein großer Erfolg war eine witzige Toilettenführung als Kooperation mit dem Museum für Kommunikation. Passend war das Thema auch deswegen, da es sich beim Nürnberger Volksfest nicht nur um das innovativste, sondern auch um das sauberste und sicherste Volksfest Deutschlands handelt. Wir hatten auch Aktionen mit DB-Museum, Museum Tucherschloss und Spielzeugmuseum. Mit dem Dürerhaus haben wir eine Maskenaktion gemacht, die den Bogen schlug von Dürers berühmtestem Selbstbildnis und der heutigen Mode, Erlebnisse per Selfie zu dokumentieren. Dazu gab es auch eine Ausstellung im Dürerhaus. Auch das Thema Charity bedeutet mir viel. Beispielsweise unser Behindertentag, zu dem immer bis zu 7 000 Menschen mit Handicap kommen, von denen sich viele das ganze Jahr darauf freuen. Auch das ist in dieser Größenordnung einmalig in Deutschland!

Im Rückblick auf Ihr Berufsleben, das Sie ganz in den Dienst der Schausteller gestellt haben: An welche Erlebnisse erinnern Sie sich persönlich besonders gerne?
Besonders beeindruckt haben mich immer der Zusammenhalt und die ehrenamtlichen Strukturen. Ich schätze die niedrigen Hierarchien, die kurzen Entscheidungswege und vor allem die Familien, die das alles stemmen. Volksfest ist für mich ein lebendiger Organismus, der durch das Engagement der Schaustellerfamilien am Leben gehalten wird. Sie haben auch schwierigste Krisen bewältigt wie unlängst die Corona-Pandemie. Sie haben gehandelt, statt abzuwarten und damit Herausragendes geleistet. Das entspricht auch meinem Naturell: Lösungen finden und machen. Großen Eindruck haben besonders die Schaustellerfrauen auf mich gemacht. Ich habe sie deshalb immer gerne bei speziellen Führungen unterstützt, bei denen sie Frauen aus der Stadtgesellschaft hinter die Kulissen ihrer Arbeit und ihres Alltags schauen ließen, um Berührungsängste, Barrieren und Vorurteile abzubauen. Schaustellerfrauen sind Mütter, aber auch tolle Unternehmerinnen!

Eine besondere Freude war es mir, dass ich meine persönlichen Vorlieben und Stärken einbringen konnte. Der Vorsitzende des Verbandes, Lorenz Kalb, war mir dabei immer Mentor und Unterstützer, der an meine Ideen geglaubt und mir die nötigen Freiräume eingeräumt hat. Dafür bin ich sehr dankbar. Und natürlich gelingt erfolgreiche Arbeit immer nur im Team, das ist ganz klar! Ich durfte so viel bewirken, unser Nürnberger Volksfest in eine erfolgreiche Zukunft begleiten. Darauf bin ich stolz, dafür danke ich allen, die mich hierbei unterstützt, beraten, getragen haben! Ich bin dankbar für 30 Jahre, die ich für den Schaustellerverband, die Schaustellerfamilien und für meine Heimatstadt tätig sein durfte!

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