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Praktikerrat zum Bürokratieabbau
Der „Praktikerrat Bürokratieabbau“ diskutierte im „Haus der Wirtschaft“ über überflüssige Vorschriften. Vordere Reihe von rechts: Staatsminister Joachim Herrmann, IHK-Vizepräsident Thomas Förster, Regierungspräsidentin Dr. Kerstin Engelhardt-Blum und Walter Nussel, Beauftragter der Staatsregierung für den Bürokratieabbau.

Die Unternehmen von überflüssigen Vorschriften entlasten: Dieses Ziel verfolgt der „Praktikerrat Bürokratieabbau“, der von IHK und Handwerkskammer angeregt worden war und nun erstmals im „Haus der Wirtschaft“ zusammengekommen ist. Dabei ging es schwerpunktmäßig um das Thema „Planen und Bauen“, also um konkrete Möglichkeiten, wie man bei Genehmigungsverfahren sowie Baustellenplanung und -management zu mehr Effizienz kommen könnte. IHK-Vizepräsident Thomas Förster, der das Treffen moderierte, berichtete von zahlreichen Klagen von Unternehmen aus der Bauwirtschaft, die eine zu hohe Regelungsdichte kritisieren.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Walter Nussel, Beauftragter für Bürokratieabbau der Bayerischen Staatsregierung, sagten bei dem Gespräch zu, dass alle Anregungen des „Praktikerrates“ aufgenommen und eingehend geprüft würden. Etliche der diskutierten Belastungen gingen jedoch nicht primär auf Landesrecht zurück, sondern auf die Genehmigungspraxis der Kommunen. Deshalb nahmen auf Initiative von Innenminister Herrmann auch Landräte und Behördenvertreter aus Mittelfranken teil, da sich die betroffenen Unternehmen bei Genehmigungsverfahren vielfach mehr Flexibilität und Entscheidungsfreude wünschen.

Die Vertreter von IHK und Handwerkskammer brachten u. a. diese konkreten Vorschläge für Entlastungen in die Diskussion ein:

  • Wenn ein rechtskräftiger Bebauungsplan vorliegt, sollten weitere Prüfungen (z. B. hinsichtlich Bodendenkmalschutz, Lärmschutz, Umweltschutz, Artenschutz) entfallen.
  • Erleichterungen seien bei der Ersatzbaustoff-Verordnung nötig, die die Kosten für den Bodenaushub und damit für Bauprojekte insgesamt nach oben treibe. Denn die Verordnung sehe eine mehrfache Probenentnahme des Bodenaushubs samt Zwischenlagerung bzw. Wiederverwertung vor.
  • Ein Sonderfall sind die sogenannten archäologischen Verdachtsflächen: Gibt es Hinweise auf archäologische Funde, gibt es gemäß Denkmalschutzgesetz die Möglichkeit, die Erlaubnis zu Aufgrabungen an einem Bodendenkmal zu verweigern – unabhängig von der Baugenehmigung. Dies macht den Baubeginn aus Sicht der Kammern für Investoren, Planungs- und Bauunternehmen unberechenbar. Zudem gebe es zahlreiche Vorschriften, die die Baukosten über die ebenfalls ungeplanten Grabungskosten hinaus noch weiter nach oben treiben. Vor allem die umfangreichen umweltrechtlichen Nachweise für den Aushub wurden bei dem Treffen kritisiert.
  • Bauleistungen sollten nach den Technischen Regeln abgenommen werden, die zum Zeitpunkt der Baugenehmigung und nicht zum Zeitpunkt der Abnahme gelten. Dadurch würden Bauverzögerungen, unkalkulierbare Kosten und lange rechtliche Auseinandersetzungen vermieden.
  • Für Handwerk und mittelständische Baubetriebe gibt es bürokratischen Mehraufwand und Zusatzkosten für das Baustellen-Management, wenn während der Bauarbeiten der öffentliche Raum beansprucht wird. Umgekehrt legen Unternehmen Wert auf frühzeitige Informationen im Falle anstehender Baumaßnahmen im öffentlichen Raum.
  • Bagatellregelungen könnten in zahlreichen Fällen für Bürokratie-Entlastung in Unternehmen und Behörden sorgen. So wäre eine Bagatellgrenze (z. B. 50 Quadratmeter) sinnvoll, wenn bisherige Homeoffice-Räume nach dem Beginn einer Selbstständigkeit gewerblich genutzt werden sollen. Bei kleineren Flächen sollten keine Anträge auf Nutzungsänderung mit gesonderter Antragstellung und keine aufwändigen Planungen durch einen Architekten notwendig sein.
  • Wie andere Branchen klagt auch das Baugewerbe über zahlreiche statistische Meldepflichten, die sich teilweise überschneiden. Hier fordern IHK und HKW das sogenannte „Once-only-Prinzip“: Wie in anderen Ländern sollte es eine einheitliche Datenstelle oder ein Unternehmerportal geben, über das statistische Daten zentral erfasst werden. Das würde Mehrfach-Erhebungen vermeiden und die Betriebe entlasten.

Über den Bereich der Bauwirtschaft und der Planungsverfahren hinaus besprach der „Praktikerrat Bürokratieabbau“ u. a. auch diese Themenfelder: unübersichtliche Vorschriften bei der Prüfung von ausländischen Qualifikationen, Bürokratie und Intransparenz bei Förderprogrammen („Förderdschungel“), zu niedrige Schwellenwerte bei der Vergabe von Dienstleistungen (gemäß der Dienstleistungsrichtlinie) sowie hohe Ansprüche hinsichtlich Referenzprojekten bei der Vergabe kommunaler Aufträge (Beispiel: Auftragsvergabe für den Bau von Kindergärten erst nach Nachweis von drei vorherigen Bauten), die eher Großbetriebe bevorzugen und kleinen und mittleren Unternehmen keinen Zugang in diese Märkte ermöglichen. Angesichts der vielfältigen Bürokratielasten auch in anderen Branchen bat IHK-Vizepräsident Thomas Förster um die Fortsetzung des „Praktikerrates“ mit Erweiterung auf Probleme in anderen Wirtschaftssektoren.

Information

Bürokratieabbau: IHK sammelt Vorschläge

Die IHK Nürnberg für Mittelfranken lädt alle Mitgliedsunternehmen ein, konkrete Beispiele für hohen bürokratischen Aufwand oder für widersprüchliche Regelungen zu nennen. Sie können unkompliziert über ein Formular auf der IHK-Webseite eingereicht werden. Die eingegangenen Anregungen werden von der IHK aufgenommen und im „Praktikerrat Bürokratieabbau“ besprochen bzw. an Walter Nussel, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für Bürokratieabbau, weitergegeben.

www.ihk-nuernberg.de/buerokratieabbau

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