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Der Bau des „Siemens Campus“ in Erlangen wird derzeit mit dem „Modul 8“ fortgesetzt.

In schwerem Fahrwasser befindet sich der Markt für Gewerbe-, Büro- und Wohnimmobilien in Deutschland und auch in Mittelfranken. Erst sorgte die Pandemie für schlechte Stimmung und für teils gerissene Lieferketten auch in der Baubranche. Dann stiegen die Preise weiter, weil sich Energie und Baumaterial stark verteuerten und weil sich die Europäische Zentralbank von ihrer Nullzins-Politik verabschiedete.

Das nahm auch den institutionellen Investoren und professionellen Privatanlegern den Schwung, wie sich am Beispiel Nürnbergs anschaulich illustrieren lässt. Dort herrschte vor der Pandemie 2019 noch Hochstimmung, das Transaktionsvolumen wurde im „Marktbericht Investment-Immobilien“ der Nürnberger Immobilienberatung Küspert & Küspert auf 2,1 Mrd. Euro beziffert. Fünf Jahre später gehen gerade einmal Anlageobjekte für 319 Mio. Euro über den Tisch. Das entspricht grob einem Einbruch von fast drei Vierteln. „Der Markt ist historisch eingebrochen“, erklärt Firmenchef Wolfgang P. Küspert.

Zahlreiche Projektentwickler legten ihre Vorhaben auf Eis, andere mussten Insolvenz anmelden. Am spektakulärsten war im letzten Jahr der Fall der Düsseldorfer Gerch Group, die sich nach langer Hängepartie an die Revitalisierung des verwaisten Quelle-Versandzentrums gemacht hatte, das unter dem Namen „The Q“ für neue Nutzungen umgestaltet wird. Immerhin übernahm die Bayerische Versorgungskammer (BVK) kurzerhand den gewerblichen Bauteil mit rund 60 000 Quadratmetern, in den ein Teil der Stadtverwaltung sowie Einzelhändler einziehen sollen. Die BVK hatte im Rahmen eines branchentypischen Forward-Deals 2020 in den gewerblichen Teil investiert und rettete so ihr Investment. Die Gerch-Insolvenz sorgte auch für das Projekt-Aus des Nürnberger Schöller-Areals. Dort sollte eigentlich 2026 die Erziehungswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität mit 3 000 Studenten und 400 Mitarbeitern einziehen. Auch bei anderen Projekten sind die Projektgesellschaften in der Insolvenz, etwa bei dem geplanten Büroobjekt Noho Nürnberg, dem „City Point“ in der Nürnberger Fußgängerzone oder dem Areal des früheren Schuhhändlers Leiser.

„Der Immobilien-Hype von gut einer Dekade ist vorbei“, sagt Miguel Soto Palma, der als stellvertretenes Vorstandsmitglied der Sparkasse Nürnberg für das Immobiliengeschäft verantwortlich ist. Die erste Zinsschritt sei kleiner als erwartet ausgefallen und habe die Stimmung nicht drehen können. In der Sparte Büroimmobilien seien die Investoren „extrem zurückhaltend“. Das Wachstumschancengesetz, das Kapitalanlegern wieder eine degressive Abschreibung erlaubt, habe noch nicht die erwartete Wirkung entfaltet. Denn neben den schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sorgt auch das Arbeiten im Homeoffice für einen geringeren Bedarf an Büroflächen. Wenn Unternehmen Bürofläche anmieten, fragten sie meist nach der Qualität eines Neubaus.

Büroimmobilien

Die Schwierigkeiten, Büros als Bestandsfläche zu vermarkten, zeigen sich beispielsweise im wiedererstrahlten Einkaufszentrum Flair in Fürth. Im Obergeschoss realisiert die Fürther P&P Group als Eigentümer auf rund 3 000 Quadratmetern eine neue Lösung: Für den Berliner Dienstleister Stayery, der Service-Apartments anbietet, entstehen dort bis Anfang 2025 insgesamt 60 Einheiten für Reisende, die nur für wenige Tage oder auch mehrere Wochen oder Monate eine Bleibe suchen.

In Erlangen baut die Immobiliengesellschaft Siemens Real Estate den „Siemens Campus“ weiter aus. Mit der Grundsteinlegung in diesem Frühjahr erhält das Areal mit dem sogenannten Modul 8 auf 80 000 Quadratmetern drei neue, CO2-neutrale Bürogebäude für die Mitarbeiter der Konzernsparte „Digital Industries“. In zwei Jahren verlassen 2 000 Mitarbeiter ihren bisherigen Standort in Nürnberg-Moorenbrunn und ziehen auf den Campus. Dorthin ziehen auch weitere 1 000 Beschäftigte, die derzeit noch an anderen Standorten in Erlangen arbeiten. Bauherr Jörg Vocke, Chef von Siemens Real Estate, sieht den Campus als „Vorzeigestandort für moderne Bürobauten“, der die Ansprüche „digital, nachhaltig und Wohlfühlfaktor für Mitarbeiter“ erfülle.

Anfang nächsten Jahres will die Erlanger S&P Commercial Development, eine Tochter von Sontowski & Partner, den geplanten Tower „The One“ fertigstellen. Der Neubau mit rund 10 000 Quadratmetern Büro- und Gewerbefläche auf elf Geschossen ist Teil des Entwicklungsareals „Neue Mitte Thon“. Der Erlanger Projektentwickler wird auch einen Neubau direkt am Nürnberger Hauptbahnhof angehen, der dort anstelle des bisherigen Ergo-Hochhauses entstehen wird. Der Neubau gliedert sich in einen 50 Meter hohen Turm und einen sechs- bis siebengeschossigen Flügelbau. Für das Gebäude ist ein Nutzungsmix aus Büro- und Dienstleistungsflächen, Service-Apartments sowie Gastronomie oder Dienstleistung im Erdgeschoss vorgesehen. An der Zukunft von Büroimmobilien hat Sven Sontowski keinen Zweifel. Allerdings würden die Innovationszyklen der Büroräume immer schneller. „Das Büro hat sich seit Corona radikal gewandelt, heute benötigt New Work auch New Workplaces.“ Konkret bedeute das angesichts veränderter Arbeitsprozesse mehr Begegnungs- und Kommunikationsflächen, was wiederum Flexibilität in der
Raumaufteilung bedeute.

Wohnimmobilien

Im vergangenen Jahr konzentrierte sich das Marktgeschehen der Kapitalanleger zu mehr als zwei Dritteln auf das Segment des institutionellen Wohnens. Aber auch hier hat sich die Stimmung weiter eingetrübt. „Die Bauträger tun sich aktuell auch in dieser Sparte schwer, weil die Vermarktung von Wohnprojekten herausfordernd ist“, beobachtet Immobilienexperte Soto Palma. Sowohl bei Neubauten als auch bei Bestandsimmobilien hielten sich die Immobilienprofis zurück. Trotzdem registriert er bei Mehrfamilienhäusern eine Belebung gegenüber 2023, weil private Käufer reduzierte Angebotspreise nutzen. In Gegenden mit geringerer Wohnqualität stellt er Abschläge beim Preis von bis zu einem Drittel fest. Außerdem werde der Preis gedrückt, wenn es an einer energetischen Sanierung fehlt. Im Neubau spielt derzeit der geförderte Wohnungsbau, korrekterweise die einkommensorientierte Förderung (EOF) – früher Sozialwohnungen genannt – eine große Rolle. Die Finanzierungsform sei aktuell für Projektentwickler ökonomisch bedeutsam, wenngleich die Fördertöpfe begrenzt seien, führt Soto Palma weiter aus. So sind beispielsweise beim mittlerweile fertiggestellten Neubauprojekt „Regensburger Viertel Nürnberg“ des Siedlungswerk Nürnberg (SW Nürnberg) nur 170 der insgesamt 381 Wohneinheiten gefördert. Das habe sich mittlerweile gedreht, wie Nürnbergs Wirtschaftsreferentin Dr. Andrea Heilmaier berichtete: „Heute will jeder Wohnraum am liebsten mit 100 Prozent EOF planen und bauen.“

Die Attraktivität der Förderung sieht man beispielsweise gerade beim neuen Wohnquartier in Erlangen direkt gegenüber dem denkmalgeschützten Himbeerpalast. Der Fürther Generalunternehmer GS Schenk baut für eine mittelständische Arbeitsgemeinschaft die beiden Bauteile „Quartier Sieboldstraße“ & „Study Inn“. Neben 277 öffentlich geförderten Studentenapartments entstehen weitere 84 geförderte Mietwohnungen sowie 88 freifinanzierte Einheiten.

Andere Projekte nimmt beispielsweise Entwickler P&P in Angriff. Er kündigte im letzten Jahr an, Ende 2024 insgesamt zehn neue Bauprojekte mit mehr als 1 500 Wohnungen in den Metropolregionen Nürnberg und München zu starten. In Nürnberg-Höfen entsteht von Eckpfeiler Immobilien Nürnberg ein neues Quartier mit insgesamt 116 Wohneinheiten als Eigentums- und Mietwohnungen sowie geförderter Wohnraum. Der Stuttgarter Projektentwickler Südreal und die Nowinta Finanzgruppe aus Aalen wollen bis zum Wintersemester 2025 in der Geisseestraße 232 Studentenapartments fertigstellen. Und die Immobiliengesellschaft der Bahn, die Aurelis Real Estate, entwickelt das neue Stadtquartier in Nürnberg-Lichtenreuth, wo die Technische Universität Nürnberg errichtet wird. Auf dem Areal entsteht ein Mix an Nutzungen für Wissenschaft, Wohnen und Gewerbe (siehe Beitrag auf Seite 57).

Ein positives Beispiel angesichts der Rivalität von knappen Wohn- und Handelsflächen ist der Neubau von Aldi Süd im Nürnberger Osten. Auf der Fläche der bisherigen Filiale entsteht bis Mitte nächsten Jahres eine fünfgeschossige Immobilie mit einer neuen Filiale im Erdgeschoss und insgesamt 56 Wohnungen. Die Parkplätze sind in der zweigeschossigen Tiefgarage für Bewohner und Kunden untergebracht.

Martina Stengel, Referentin für Standortberatung, Raum- und Bauleitplanung bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken, erklärt, die Wirtschaft sei derzeit geprägt durch einen Mangel an Fachkräften quer über alle Branchen. Dieser werde durch einen Mangel an Wohnraum in der Region noch verschärft. Die IHK engagiere sich deshalb verstärkt beim Thema Mitarbeiterwohnungen, die ein Baustein für die Fachkräftesicherung sein könnten. Vor Kurzem fand hierzu ein IHK-Webinar statt. Die große Teilnehmerzahl zeige, dass sich immer mehr Unternehmen mit dieser Facette des Wohnungsbaus beschäftigen.

Gewerbeimmobilien und Logistik

Die herausfordernden Rahmenbedingungen kombiniert mit der flauen Konjunktur sorgen auch dafür, dass Investitionen in neue Produktionsflächen eher verhalten stattfinden. „Die Unternehmen halten bei Erweiterungsbauten ihre Schäfchen im Trockenen“, bringt Soto Palma die aktuelle Stimmung auf den Punkt. Allerdings baut beispielsweise der Nürnberger Familienkonzern Diehl seinen Standort Röthenbach aus, um das Wachstum nach der „Zeitenwende“ in der Konzernsparte Defence zu stemmen. Das Gebäude mit über 10 000 Quadratmetern unter anderem für Entwicklung, Produktion und Logistik soll Anfang nächsten Jahres bezugsfertig sein. Weitere Gebäude für das Testen von Systemen sowie für Ausbildung und Training sollen bis Ende 2026 in Röthenbach hinzukommen.

Ein Dauerbrenner im Großraum sind die knappen Logistikflächen, die seit Jahren einer wachsenden Nachfrage gegenüberstehen. Die Münchner Hoffmann Group, die 2009 ihre Logistik für den Werkzeughandel nach Nürnberg verlegte, hat nun ihre „Logistik-Megacity“ in Nürnberg Langwasser in Betrieb genommen. Für über 200 Mio. Euro sind auf 21,5 Hektar 100 000 Quadratmeter Logistikfläche entstanden, um täglich mit aktuell 700 Beschäftigten bis zu 40 000 Pakete zu verschicken (siehe auch Artikel Seite 81).

„Logistik geht immer“, betont Soto-Palma gerade auch mit Blick auf steigende Volumina bei der sogenannten letzte Meile der Paketzustellung. Weil es im Städtedreieck aber kaum Logistikflächen gibt, schauen Spediteure und Investoren ins Umland entlang der Autobahnen. Der Experte kennt auch konkrete Projekte, die allerdings noch nicht in trockenen Tüchern sind. Dagegen scheint beim Gewerbepark Interfranken nahe Feuchtwangen zwischen A6 und A7 die jahrelange Hängepartie vorbei zu sein: Dort soll auf der grünen Wiese ein Industrie- und Gewerbegebiet mit 81 Hektar entstehen – gegen den Widerstand eines örtlichen Bürgerforums. Das scheint immer häufiger das Hemmnis für weitere Flächen zu sein. Im letzten Jahr lehnten etwa die Altdorfer im Osten ihrer Stadt ein Gewerbegebiet per Bürgerentscheid mit knapper Mehrheit ab.  

Autor: Thomas Tjiang (tt.)

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