Lasst die Sonne rein!
Solarstrom selbst produzieren und damit Kosten und CO2 sparen: Beispiele von mittelfränkischen Unternehmen.
Bis 2040 soll der Freistaat klimaneutral werden, so das Ziel des "Bayernplan Energie 2040". Um das zu erreichen, sind aber massive Anstrengungen nötig, wie die Münchner Forschungsstelle für Energiewirtschaft e. V. (FfE) vor Kurzem vorgerechnet hat. Allein in Mittelfranken müssten dafür jährlich Photovoltaik-Freiflächenanlagen mit einer Fläche von 270 Fußballfeldern neu gebaut werden. Und noch einmal 18 000 Solarstromanlagen auf Dächern – das wären rund 350 pro Woche. Um das ehrgeizige Klimaziel tatsächlich in 17 Jahren zu erreichen, wären darüber hinaus im Regierungsbezirk zusätzlich noch unzählige Sanierungen von Wohngebäuden, viele E-Autos und Windräder nötig.
Für Bernd Fuchs, Geschäftsführer der Greenovative GmbH in Nürnberg, geht es beim Klimaschutz nicht schnell genug voran. "Leider sind auf allen Ebenen die Maßnahmen aktuell noch zu wenig und zu langsam", sagt Fuchs, dessen Unternehmen PV-Anlagen plant und realisiert. Er beobachtet, dass private Hausbesitzer gerade sehr stark in Photovoltaik investieren und diese mit Batteriespeicher, Wärmepumpe oder Wallbox kombinieren. Fassaden-PV sei dagegen noch eher selten, da die Konstruktion teuer sein kann und der Einstrahlwinkel des Sonnenlichts nicht ideal für den Ertrag ist. Die größten Effekte für Klimaschutz, Kosteneinsparung und Energieunabhängigkeit sieht Fuchs in sehr großen standardisierten PV-Dach- und Freiflächenanlagen.
Weil Strom aus Wind- und Photovoltaikanlagen zwar günstig sei, aber nicht immer zur Verfügung stehe, plädiert Fuchs für neue Ansätze: "Wir müssen das gesamte Energiesystem neu denken, koppeln und digitalisieren." Smarte Stromzähler, bidirektionales Laden, variable Stromtarife und eine breite Digitalisierung müssten schnell eingeführt werden, um Stromerzeugung und -verbrauch in Einklang zu bringen. Die Politik müsse klare Regeln und Anreize schaffen, sodass die Netzbetreiber das bestehende Netz besser nutzen können und schnell die Netze verstärken und erweitern.
Greenovative realisiert auch ein Großprojekt für die NürnbergMesse: Dort wird der erste Teil der künftig größten Photovoltaik-Dachanlage in Bayern installiert. In den ersten Bauabschnitt mit einer Leistung von rund neun Megawatt-Peak investiert die Messegesellschaft rund 15 Mio. Euro. Die NürnbergMesse will in den nächsten fünf Jahren eine klimaneutrale Energieversorgung erreichen. Dafür kommen insgesamt rund 21 000 Module mit einer Fläche von rund 75 000 Quadratmetern auf die sieben Messehallen und das Parkhaus. Beim offiziellen Startschuss betonte der bisherige Co-Messe-Chef Dr. Roland Fleck, der Weg in die Nachhaltigkeit sei ein entscheidender Wettbewerbsfaktor und schaffe am Standort auch Energieautarkie. Derzeit liegt der Grundbedarf Strom auf dem Messegelände bei rund einem Megawatt im Jahr.
Darüber hinaus ist ein sektorgekoppeltes Hybridkraftwerk geplant, das einmal die Energieerzeugung aus PV-Anlage und Geothermie kombinieren wird und die eine Speicherung beinhaltet. Die im Sommer erzeugte Energie kann damit auch im Winter genutzt werden, in dem auch immer zahlreiche Veranstaltungen stattfinden. Ob und welche Rolle dabei das Zukunftsthema Wasserstoff spielt, ist derzeit noch unklar. Mit Hilfe moderner KI-gestützter Simulationsmethoden wird der beste Anlagenmix für den Bedarf der NürnbergMesse ermittelt. Ministerpräsident Dr. Markus Söder entwickelte bei der Auftaktveranstaltung auf dem Dach der Messe die bayerische Vision für "Wasserstoff als künftiges Speichermedium Nr. 1". Als Wasserstoff-Elektrolyseur könnte die Messe in Zukunft auch die Versorgung umliegender Verbraucher übernehmen, so eine der Visionen.
Ganz besondere Akzente setzt die Umweltbank AG in Nürnberg, die gerade ihren neuen Stammsitz baut – ein Holzhybrid-Hochhaus mit 13 Vollgeschossen. Zwischen den Fenstern des sogenannten Umwelthauses werden rundherum grün eingefärbte PV-Fassadenmodule installiert. Selbst im Innenhof soll künftig Sonnenstrom an der Fassade geerntet werden. Die Module, so die Umweltbank als Bauherr, seien mittlerweile so leistungsstark, dass selbst das Streulicht zur Stromerzeugung ausreiche. Die gesamte Leistung der Fassaden-PV wird mit 344 kWp beziffert. Hinzu kommt noch die klassische PV-Anlage auf dem Dach, die auf 134 kWp kommen wird.
Das Umwelthaus wird nach dem KfW-Standard Effizienzhaus 40 NH errichtet und hat bereits eine Platin-Vorzertifizierung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Trotz der optimierten Gebäudehülle und effizienten Anlagentechnik reicht der PV-Strom auch in Spitzenzeiten nicht aus, um den gesamten Bedarf – inklusive für die 140 Pkw-Ladepunkte – zu decken. Deshalb sieht das ganzheitliche Energiekonzept für Heizung, Kühlung und Strom vor, die Photovoltaik mit Geothermie, Wärmepumpe und Blockheizkraftwerk zu kombinieren. Sie sollen sich einmal als Einzelelemente gegenseitig stützen. Das Erdwärmefeld übernimmt nicht nur die Funktion des Wärmelieferanten, sondern dient auch als Speicher. Ungenutzter Strom in Spitzenzeiten kann das Erdwärmefeld wieder aufwärmen. Auch die Wärmepumpe sorgt für eine effiziente Heizung oder Kühlung.
Wenn großflächige PV-Anlagen auf den Dächern von schon bestehenden Gewerbebauten installiert werden sollen, ist eine genaue Planung notwendig. Für den Dächerwald der Lagerhallen und Verteilzentren im Hafen Nürnberg gibt es keine Statistik, wie viel Photovoltaik dort bereits zum Einsatz kommt. Hinzu kommt, dass die Statik geprüft werden muss: Älteren Leichtbauhallen fehlt häufig die notwendige Tragfähigkeit, um die Dächer mit PV-Modulen bestücken zu können.
Ein Beispiel unternehmerischen Engagements ist das neue Logistik- und Technologiezentrum der Hans Geis GmbH + Co KG im Nürnberger Hafen: Auf den beiden Neubauten und weiteren fünf Dächern der Geis-Immobilien ist die Installation einer Photovoltaikanlage mit insgesamt 4,5 Megawatt-Peak Leistung geplant. Das Projekt ist Teil der unternehmensweiten Initiative "MissionZero", mit der die Geis-Gruppe bis zum Jahr 2040 klimaneutral werden will. Ein zentraler Baustein des Konzepts ist klimaneutral erzeugter Strom, weshalb intensiv in die Eigenstromproduktion mit Photovoltaik-Anlagen investiert wird. Als Zwischenetappe nennt die Geis Gruppe das Jahr 2030, bis dahin sollen bereits rund 65 Prozent der CO2-Emissionen eingespart werden.
Die Nürnberger Axis GmbH & Co. KG ist mit ihrer Investition in eine PV-Dachanlage bisher sehr zufrieden. "PV lohnt sich in jedem Fall", unterstreicht Geschäftsführer Rüdiger Szak mit Blick auf die hohen Strompreise, selbst wenn diese nach der Spitze im letzten Jahr wieder zurückgegangen sind. Angesichts sinkender Produktionskosten für Sonnenstrom ist sich Szak aber sicher: "Mittelfristig werden wir noch mehr profitieren als jetzt." Das Unternehmen verarbeitet unter anderem Plexiglas für Messen und Maschinenbauer, produziert LED-Lichttechnik für die Medizintechnik-Branche und fertigt Modellexponate für die Industrie. 2019 hatte Axis eine 100 kW-Anlage auf dem Dach installiert, um durch Eigennutzung die Stromkosten zu senken. Das Ziel, mehr als die Hälfte des betrieblich benötigten Stroms selbst zu erzeugen, sei erreicht worden. Doch auch der Energiebedarf steigt: Damals wurden zwei Hybridautos mitgeladen, heute tanken sechs E-Autos auf dem Firmengelände. Daher soll in diesem Jahr eine weitere 100 kW-PV-Anlage zusätzlichen Strom vom Dach liefern. à
Szak hat sich für eine Ost-West-Ausrichtung der Anlage auf dem Dach entschieden. Die etwas geringere Stromernte im Vergleich zur Südausrichtung werde dadurch kompensiert, dass der Betrieb bereits in den Morgenstunden einen nennenswerten Strombedarf habe. Die Anlage konnte problemlos ohne weitere Verstärkungen auf dem Dach installiert werden, weil dessen Traglast bei der Planung für eine hohe Schneelast ausgelegt wurde. Mittlerweile sind die Vorgaben für die Schneelast so gesunken, dass die PV-Anlage nun ohne zusätzliche Baumaßnahmen angebracht werden durfte.
Eine zufriedene Zwischenbilanz zieht auch der Nürnberger Schreibgerätehersteller Staedtler Mars GmbH & Co. KG: Seit 2019 produziert er am Stammsitz Nürnberg sowie in den Werken in Neumarkt und Hengersberg Strom mit Photovoltaikanlagen. Sie sind ein wesentlicher Teil des Transformationskonzeptes, um durch die Eigennutzung CO2-Emissionen in allen Werken einzusparen. Künftig werden die Photovoltaikanlagen auch maßgeblich zur Wärmeversorgung beitragen, dafür ist eine Koppelung mit industriellen Wärmepumpen geplant. Auch die Ladepunkte für
E-Fahrzeuge sollen stark ausgebaut und mit dem geernteten Strom betrieben werden.
Bei der Flughafen Nürnberg GmbH haben sich die Erwartungen an die eigene Stromproduktion ebenfalls erfüllt: Vor einem Jahr war als vorerst letzte Etappe das Dach des Parkhauses 4 als PV-Stromfabrik mit über 2 000 Solarmodulen in Betrieb genommen worden. Zusammen mit den beiden weiteren PV-Anlagen gibt es nun gut 2 800 Solarpanels, die innerhalb eines Jahres rund 1 200 MWh für den Eigenverbrauch produziert haben. Das entspricht einer durchschnittlichen Stromversorgung von mehr als 280 Einfamilienhäusern. Der gesamte Verbrauch am Flughafen-Campus inklusive aller Mieter und sonstiger Nutzer liegt bei ca. 17 000 MWh.
Am Flughafen waren selbst zu Corona-Zeiten Beleuchtung und Klimatisierung rund um die Uhr ohne Unterbrechung im Betrieb. Angesichts hoher Energiepreise oder wackeliger Stromversorgung als Folge des russischen Angriffskrieges ist eine hohe Eigenversorgung bis hin zur Energieautarkie für den Airport von großer Bedeutung. Zudem peilen der Flughafen und die Stadt Nürnberg als dessen Gesellschafter das Ziel an, bis 2035 klimaneutral zu werden.
Auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos und die Elektrifizierung des flughafeneigenen Fuhrparks wird vorangetrieben. So finden sich Ladesäulen auch vor vielen Bürogebäuden und zentrale Schnellladesäulen im Mietwagen-Servicecenter. Öffentliche Ladesäulen gibt es in zwei Parkhäusern sowie auf dem Kurzzeitparkplatz P5. Die Konzerntochter Flughafen Nürnberg Energie GmbH (FNEG) bündelt und koordiniert Themen wie Strombeschaffung, Vertrieb und Energiemanagement am Airport Nürnberg. Sie sondiert auch Möglichkeiten, auf weiteren flughafeneigenen Flächen möglicherweise sogenannte Agri-PV-Anlagen zum Einsatz zu bringen.
Der Siemens-Standort Fürth verfügt seit Kurzem über eine neue Photovoltaik-Anlage mit einer Leistung von 460 Kilowatt-Peak. Die Anlage auf dem Dach des Parkhauses in der Breslauer Straße ersetzt die von 2005, die in der Spitze eine Leistung von nur 34 Kilowatt erreichte. Das Solarkraftwerk mit einer Fläche von 3 000 Quadratmeter ist die bislang größte PV-Anlage, die nachträglich auf einem Siemens-Bestandsgebäude installiert wurde. Ab Anfang 2024 folgen weitere Energieeffizienz-Maßnahmen (u. a. Installation von hocheffizienter Lüftungsanlagen und Wärmepumpen). Mit diesen Schritten soll der CO2-Ausstoß des Gebäudebetriebs bis 2026 auf nahezu null reduziert werden. Damit gehört Fürth nach Unternehmensangaben zu den ersten Fertigungsstandorten in Deutschland, die das Siemens-Ziel, bis 2030 weltweit klimaneutral zu werden, vorzeitig in die Tat umsetzen.
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