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Gerda Peter, Geschäftsführerin der Evangelisches Siedlungswerk in Bayern GmbH (ESW) in Nürnberg.
Gerda Peter, Geschäftsführerin Evangelisches Siedlungswerk in Bayern GmbH, Nürnberg

Gerda Peter muss nicht lange überlegen, welchen Ort sie für ein aussagekräftiges Foto auswählt. Sie entscheidet sich für das Treppenhaus im sanierten „New Work Office“ der Evangelisches Siedlungswerk in Bayern GmbH (ESW) am Nürnberger Hans-Sachs-Platz. „Es zeigt, wie viel kreatives Potenzial in Sanierung oder Neubau stecken kann“, sagt die Architektin und Betriebswirtin, die seit letztem Jahr gemeinsam mit Wirtschaftsingenieur Michael Soukup als neue Doppelspitze die Tochtergesellschaft der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern führt. Die Wände des Altbaus sind strukturbetont verputzt, die Treppe selbst inszeniert die Materialien aus Stahl und Holz, die Beleuchtung in der Wand versenkt. „Kreativität beim Bauen heißt nicht mehr bunte Farben, sondern die Gesamtprozesse eines Projektes neu und effizienter zu denken.“

Die Sanierung des Stammsitzes mit den beiden Backsteinbüros aus den frühen 1960er Jahren wurde noch vom Vorgänger-Duo gestemmt. Statt Neubau entschieden sie sich damals für eine umfassende Modernisierung, die dem Dreiklang aus Ökonomie, Ökologie und moderner Arbeitskultur gerecht wird. Dadurch wurde viel sogenannte graue Energie, die in Beton und anderen Baumaterialien gebunden ist, eingespart. Das so vermiedene „Global Warming Potential“ (GWP), umgerechnet in CO2-Äquivalenten, entspreche 55 Flugreisen von München nach Bangkok, hebt Peter hervor. Auch der Gebäudebetrieb erfülle die ESW-Ansprüche an eine zukunftsorientierte Nachhaltigkeit: Die Klimatisierung mit Wärme und Kälte erfolgt durch Wärmetauscher und Wärmepumpen. Basis ist das durch eine Geothermiebohrung geförderte Grundwasser. Am Ende dieses Austauschprozesses wird das Wasser an die Pegnitz abgegeben.

Neue Arbeitswelten

Von den einstigen Ein- und Zweizellenbüros ist nichts mehr übriggeblieben. Die neue Arbeitskultur gliedert das Gebäude in einzelne Ebenen. Sie beginnen mit einem offenen Kaffee- und Kommunikationsbereich, daran schließen typische Schreibtische und „Coworking Spaces“ an. Zusätzlich finden sich Besprechungsräume oder Einzeltelefonboxen. „Wir leben ein New-Work-Konzept“, berichtet Peter weiter. Dazu gehört die freie Wahl des Arbeitsplatzes, der eigene Büroschreibtisch ist Vergangenheit. Auch das Führungs-Duo macht keine Ausnahme, sondern sucht sich morgens einen eigenen Platz. Die hausinterne Regelung sieht zwei Tage Homeoffice und drei Präsenztage vor. Das Konzept soll auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern. Rückgrat dieser Flexibilität ist eine leistungsstarke IT, auch um medienbruchfrei mobil zu arbeiten oder virtuell an einer Besprechung teilzunehmen.

Der Freiraum beim flexiblen Arbeiten geht laut Peter Hand in Hand mit wachsenden Aufgaben im Planungs-, Bau- und Verwaltungsgeschäft: „Wir müssen in allen Bereichen eng zusammenarbeiten, denn es wird alles immer komplexer.“ Das lasse sich in hierarchischen Strukturen kaum mehr bewältigen. So steigen etwa die Anforderungen durch die Regulatorik und eine wachsende Normenlandschaft, die auch die Energieeffizienz mit einschließt. Hinzu kommen etwa die EU-Taxonomie und die damit eng verbundene, nichtfinanzielle Berichterstattung zu Umwelt, Sozialem und Unternehmensführung (ESG). Auf der Baustelle spielen daher beispielsweise Themen wie die Klimaanpassung von Gebäuden oder die Biodiversität eine größere Rolle.

ESW-Geschäftsführerin Gerda Peter (re.) im Gespräch mit ESG-Referentin Annika Thoma und Projektleiter Christian Jäckel.
ESW-Geschäftsführerin Gerda Peter (re.) im Gespräch mit ESG-Referentin Annika Thoma und Projektleiter Christian Jäckel.

Ihren Start im letzten Frühjahr als Geschäftsführerin bezeichnet sie zwar als „Tag der Freude“. Er fiel aber in eine Zeit, in der gerade die Immobilienbranche wegen der hohen Material- und Energiekosten sowie der abrupten Zinswende litt. Doch Peter, die sich selbst als „leidenschaftliche Wohnraumversorgerin“ bezeichnet, geht motiviert an die Themen. So loten alle Bereiche innerhalb ihres Handlungsspielraums aus, inwieweit man Selbstverständlichkeiten so verändern kann, dass es effizienter geht: „Wir durchleuchten alle Prozesse unter dem Aspekt Ressourcenschonung.“ Dazu gehört auch die Frage, ob eine Drei-Zimmer-Wohnung immer 80 Quadratmeter haben müsse. Oder ob sich Grundrisse und Ausstattungen ohne Abstriche bei Qualität und Barrierefreiheit so verändern lassen, dass Baumaterial besser eingesetzt werden kann.

Nachhaltigkeit im Wohnungsbau

Das Potenzial des seriellen Bauens mit standardisierten, vorgefertigten Bauelementen lasse sich momentan nicht ausschöpfen: „Wir entwickeln und bauen mit unserem Bauträger aktuell in speziellen Nischenlagen relativ kleine Einheiten mit 35 oder 40 Wohnungen.“ Auch der Holzbau ist nicht per se immer die beste Lösung, da auch die Lage des Waldes oder des Sägewerkes unter CO2-Gesichtspunkten zu berücksichtigen ist. Immerhin strebt das ESW bei seinem Fürther Projekt „Holzhygge“ ein Gold-Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) an, die den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie von den Baumaterialien bis zum Rückbauprozess bewertet. Ganz nach dem Geschmack von Peter ist die Bestandsentwicklung und Aufstockung dreier Wohngebäude in Fürth. Dieses ESW-Vorhaben ist einer der bayernweiten Pilotprojekte, die den sogenannten „Gebäudetyp E“ austesten. „E“ steht hier für einfach oder experimentell und soll trotz der komplexen Vorschriften den Bau nachhaltiger Häuser zum bezahlbaren Preis erlauben. Die zusätzliche Gebäudeklasse in der Bayerischen Bauordnung wurde letztes Jahr pilotiert. Demnach erhalten fachkundige Planer die Freiheit, sich bei ihrem Projekt auf den eigentlichen Kern der Schutzziele aus der Bauordnung zu konzentrieren. Werden Standsicherheit, Brandschutz, gesunde Lebensverhältnisse und Umweltschutz eingehalten, darf auf darüberhinausgehende Normen und Standards verzichtet werden.

Bezahlbares Wohnen ist für das vor 75 Jahren gegründete Wohnungsunternehmen ein Kernanliegen. Entsprechend rangiert die durchschnittliche Kaltmiete je Quadratmeter bei 8,30 bis 8,80 Euro. „Wir verfolgen eine eigene Mietpolitik, die sich nicht am oberen Ende orientiert.“ Viel wichtiger sei es, dass junge Menschen, Alleinerziehende oder Senioren passenden Wohnraum bekommen. Dafür würden die Wohnungen ausschließlich über eine „diskriminierungsfreie Plattform“ vergeben. Interessenten geben ihre Daten ein und eine Künstliche Intelligenz berechnet nach einem Punktesystem einen bestimmten Wert aus. Dabei werden zum Beispiel junge Familien oder Mütter mit Kindern bevorzugt, Paare können unabhängig von ihrer Finanzkraft nicht mehr als drei Zimmer bekommen.

Aktuell hat das ESW 5 400 Wohnungen in ganz Bayern im Bestand. Zusätzlich verwaltet sie weitere knapp 13 400 Wohneinheiten. Dem internen Wachstumsprogramm zufolge sollen innerhalb von zehn Jahren weitere 1 000 Wohnungen gebaut werden. „Wir wollen in allen vier Geschäftsbereichen weiter wachsen“, sagt Peter mit Blick auf die ESW-Töchter Gebäudemanagement, Bauträger, Bauplanung und Projektentwicklung. Im vergangenen Jahr wuchs die Bilanzsumme um rund 7,5 Prozent auf 595 Mio. Euro. Unter dem Strich blieb ein Konzernüberschuss von 2,8 Mio. Euro übrig. Zu den 350 Mitarbeitern gehören rund 100 Nebenberufliche, die als geringfügig Beschäftigte beispielsweise kleine Objekte in Schuss halten. Für das laufende Jahr sieht sich die ESW-Geschäftsführerin auf Kurs: „Wir erreichen unsere Ziele.“ Ein wichtiger Baustein des Erfolgs liegt für Peter in der Langfristigkeit der Geschäftspolitik. Man begegne den Geschäftspartnern, egal ob es Lieferanten oder Geldgeber sind, immer wieder. Da müsse man sich wie ein ehrbarer Kaufmann auf den Anderen verlassen können. Der gute Ruf zahle sich auch gegenüber den Mietern oder privaten Immobilienkäufern aus. Diesen Kurs will das ESW auch in Zukunft langfristig beibehalten.

Autor/in: tt.

www.esw.de

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