Das Dorf im Dorf
Schindlerhof


Wie im Winterschlaf befindet sich der japanische Garten, durch den Nicole Kobjoll läuft. Das sieht man nicht nur an den entlaubten Bäumen, unter denen sich neben Kirsche und Ahorn auch Bambus und Kiefern befinden. Die Koi, die im Teich schwimmen, haben sich ebenfalls in Winterruhe begeben. Das Gewässer rahmt das Ryokan ein, aus dem Kobjoll gerade herausgekommen ist. Ein Ryokan ist ein traditionelles japanisches Gasthaus oder Hotel. Ein solches ist Teil des Schindlerhofs, einem Hoteldorf im Norden Nürnbergs. Betrieben wird es von der Schindlerhof Kobjoll GmbH, deren Geschäftsführerin Nicole Kobjoll ist. Das Ryokan war das erste Projekt, das sie auf dem etwa einen Hektar großen Anwesen umsetzte, als sie im Jahr 2000 beim Schindlerhof ins Geschäft einstieg. Die Idee dazu entstand durch ihr Faible für Japan, das sie auf verschiedenen Reisen bekam – und das sich auch im Logo ihres Betriebs niedergeschlagen hat, denn darin ist das japanische Schriftzeichen für das Wort Baum enthalten.
Tagungen sind das Kerngeschäft des Schindlerhofs, 2024 waren es an die tausend Tagungen und etwa 10 000 Übernachtungen. Auch Weltkonzerne gehören zu den Kunden des Schindlerhofs, die dann gleich den ganzen Komplex buchen. Private Gäste kommen eher an den Wochenenden und machen etwa 20 Prozent des Geschäfts aus. Insgesamt ergänzen sich beide Bereiche recht gut, wenn man sich ansieht, wie sich das Besuchsaufkommen über das Jahr verteilt, erklärt die Chefin: So gebe es im Sommer, wenn eher wenige Tagungen stattfinden, umso mehr Hochzeiten.
Nicole Kobjoll ist mit dem Betrieb ihrer Eltern aufgewachsen. Ihr zehnter Geburtstag war gleichzeitig der Startschuss für den heutigen Schindlerhof, an dem sie von Beginn an eine stille Beteiligung hatte. Ihre Eltern Klaus und Renate Kobjoll hatten zuvor in den 70er Jahren mehrere erfolgreiche gastronomische Projekte in der Region aufgebaut, beispielsweise das „Kon Tiki“ in Nürnberg, das es heute noch gibt. Daraufhin kauften sie Anfang der 80er Jahre das bäuerliche Anwesen im Nürnberger Norden mit den denkmalgeschützten, teils baufälligen Gebäuden und wandelten es in einen Landgasthof um. Der Betrieb lief erfolgreich, sodass die Familie in den Folgejahren weitere Grundstücke und Höfe dazukaufte.
„In den Schindlerhof verliebt“
Doch dass Nicole Kobjoll den Betrieb übernehmen würde, stand noch nicht von vorneherein fest. Denn nach ihrem Abitur ging sie sechs Jahre ins Ausland mit Stationen u. a. in Italien, der Schweiz, Irland und Großbritannien. Nach ihrem Abschluss an der École hôtelière in Lausanne boten ihre Eltern ihr als frisch gebackene Bacholerette an, hinter dem Japangarten des Schindlerhofs eine Hotelanlage zu errichten und ließen ihr dabei freie Hand. Ursprünglich wollte sie nur für eine „Testphase“ in den elterlichen Betrieb zurückkehren. „Doch dann merkte ich, dass ich mich in den Schindlerhof verliebt hatte“, sagt sie rückblickend. So entstand der eingangs erwähnte Ryokan. Das war ihr erstes großes Projekt im neu übernommenen Betrieb, wo es ihr auch wichtig war, freie Hand zu haben. „Ich hatte keine Lust, wie Prinz Charles nebenher zu laufen, bis die Alten tot umfallen“, sagt sie. Nichtsdestotrotz entwickelt sie auch noch viel gemeinsam mit ihren Eltern: Ihre Mutter Renate Kobjoll ist immer noch im Geschäft tätig und kümmert sich beispielsweise um Instandhaltungen. Ihr Vater Klaus Kobjoll bringt sich ebenfalls noch ein, zum Beispiel beim Jahreszielplan und bei Vorträgen für Seminarkunden.
Auch ihr Sohn Max ist schon am Unternehmen beteiligt: Dem 14-Jährigen gehören seit seinem dritten Geburtstag drei Prozent der Anteile an der Kommanditgesellschaft. Doch einen Zeithorizont für eine Nachfolge gibt es noch nicht. „Mein Sohn hat die Freiheit, zu entscheiden, was er machen möchte“, sagt Nicole Kobjoll. „Aber alleine wäre er nicht auf die Idee einer Laufbahn in der Gastronomie gekommen“, ergänzt sie mit einem Schmunzeln. Dafür ist es ihr aber wichtig, dass er vorher Erfahrungen im Ausland sammelt. Für eine Karriere in dieser Branche ist das essenziell, findet sie.
Was Fachkräfte betrifft, sei es zwar auch für den Schindlerhof schwieriger als früher, sagt Kobjoll. Man habe aber als Betrieb eine starke Arbeitgebermarke, so die Firmenchefin. So habe man den Küchenchef ohne Headhunter bekommen, er sei von selbst zum Betrieb gekommen. „Wir bekommen immer noch viele gute Azubis, darunter sind auch Unternehmerkinder“, erklärt Kobjoll. Zudem profitiere der Schindlerhof von einem Alumni-Netzwerk, in dem ehemalige Beschäftigte in Kontakt bleiben können. „Mitarbeiterverbindung statt nur Mitarbeiterbindung“ ist dabei Kobjolls Motto.
Vorreiter mit Mitarbeiter-App
Das zeigt sich unter anderem daran, dass Auszubildende auch im Betrieb wohnen, oder an der hauseigenen Mitarbeiter-App. Mit letzterer begann das Unternehmen schon früh, sich vom Wettbewerb abzuheben – zu einer Zeit, als der Begriff Fachkräftemangel noch lange nicht in aller Munde war. Die App entstand Ende 2009, die Idee dazu hatte die Hotelchefin während ihrer Schwangerschaft. Nicole Kobjolls Ehemann Dr. Marcel Setzer entwickelte die App mit seinem IT-Unternehmen im Lauf der Jahre weiter. Heute wird die Anwendung nicht nur vom Schindlerhof genutzt, sondern kommt nach eigenen Angaben in rund 900 Unternehmen zum Einsatz.
In der Personalpolitik hat die Schindlerhof-Chefin auch Wünsche an die neu zu wählende Bundesregierung: „Die Lohnspirale geht stark nach oben, gleichzeitig bleibt für die Beschäftigten nicht so viel hängen“, so ihr Fazit. „Darum muss sich die Politik kümmern.“ Generell brauche es wieder einen Nährboden für gesundes Wirtschaften, so die Geschäftsführerin. Was ihr daran Spaß macht, Unternehmerin zu sein, ist die Freiheit, Dinge nach eigenen Vorstellungen umzusetzen: „Ich bin kein Verwalter, sondern Gestalter“, so Kobjolls Selbstverständnis. Gleichzeitig sehe sie sich nicht nur als Wirtin, sondern auch als Landwirtin, sagt sie und spielt damit auf die hauseigenen Bienenstöcke an, die manchmal auch in das Rahmenprogramm der am Schindlerhof stattfindenden Tagungen einbezogen werden. Darüber hinaus fasst sie ins Auge, auch einmal Tiere auf dem Hof zu halten. Und es soll in naher Zukunft auch ein Konzept für die Entwicklung der Tagungsräume entstehen. Ideen gibt es viele und sie scheinen nicht auszugehen – vielleicht sprudeln sie auch einfach, wenn man nur am Teich des japanischen Gartens entlangwandelt. (jf.)
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