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Prof. Dr. Veronika Grimm bei ihrem Vortrag im „Haus der Wirtschaft".

Keine guten Nachrichten für die deutsche Wirtschaft hatte Prof. Dr. Veronika Grimm zur Veranstaltung „IHK trifft Wissenschaft“ mitgebracht: Insgesamt gebe der Standort Deutschland ein trübes Bild ab. Auch im Jahr 2025 sei nicht mit einer kräftigen konjunkturellen Erholung zu rechnen. Das Mitglied im „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ („Wirtschaftsweise“) ging in Schlaglichtern auf dessen Jahresgutachten 2024/25 ein. Die Professorin für Energiesysteme und Marktdesign an der Technischen Universität Nürnberg ist für streitbare Positionen bekannt. Ihrem Anspruch, „Themen in die gesellschaftliche Debatte einzubringen“, blieb sie auch bei der Veranstaltung im „Haus der Wirtschaft“ treu.

Den derzeit schwachen Außenhandel der deutschen Wirtschaft bezeichnete sie als „historisch“: Früher sei die deutsche Exportwirtschaft nach weltweiten Abschwüngen mit als erste wieder hochgelaufen, heute hinke sie hinterher. Die Verunsicherung der Menschen trage ebenfalls zur schwachen Nachfrage bei, weil der Konsum trotz höherer Realeinkommen nicht steige. Die Industrie leide an einer schwachen Auslastung und schlechter Wettbewerbsfähigkeit. Mit Blick auf den Arbeitsmarkt sieht die Wirtschaftsweise ebenfalls Korrekturbedarf. Angesichts des Struk-turwandels müsse man sich der Frage stellen, ob das für konjunkturelle Flauten gedachte Instrument der Kurzarbeit noch das richtige Mittel sei.

Wettbewerb und Klimaschutz

Um wieder zu alter Stärke zu kommen, rät Grimm dazu, globalen Wettbewerb und Klimaschutz zusammenzudenken: „Das ergibt die führende Technologie.“ Dabei sollte man insbesondere China im Auge behalten, das ähnlich wie im Automo-bilbereich auch im innovativen Maschinenbau mehr Kapazitäten aufbaue, als es für die eigene Transformation brauche. „Wir bekommen einen sehr steifen Gegenwind. Sich hier Vorteile zu erarbeiten, ist schwer.“ Denn die Weltkonjunktur wachse – um Deutschland herum – bereits auf Vor-Corona-Niveau. Aus der Corona-Zeit sei aber hierzulande die hohe Staatsquote von fast 50 Prozent geblieben, obwohl sie nach der Pandemie eigentlich wieder hätte fallen müssen. Grimm fordert einen teilweisen Rückzug des Staates aus Wirtschaftsbereichen, die nicht zu den Staatsaufgaben zählen. Sie bevorzugt beispielsweise beim Klimaschutz eine stärkere CO2-Bepreisung, um im Gegenzug das Regulierungsdickicht zu lichten.
 
Auch im Strommarkt sollte der Staat den Weg zu regionalen Preiszonen frei machen, findet die Professorin. Sie wisse, dass das Thema in Bayern ein rotes Tuch sei, denn unterschiedliche Preisregionen machten den Strom im windreichen Norden billiger. „Im Süden wird Strom aber nicht teurer“, ist sie sich sicher. Die hohe Energienachfrage der bayerischen Industrie könnte aber ein Signal an Investoren sein, sodass der Netzausbau günstiger werde.

Außerdem sollte die Politik weg von Subventionen hin zu verlässlichen Rahmenbedingungen in den Märkten wechseln. So illustriert sie beispielsweise am Thema Wohnen, dass die Politik mit staatlichen Interventionen überfordert sei. Es werde vom Staat erwartet, Probleme mit Geld zu lösen, die er aber mit seinen Mitteln nicht lösen könne. Die gestiegenen Mieten und eine wachsende Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt sind für die Professorin nicht nur ein soziales Problem, sondern auch eines für die Wirtschaft: „Wir haben keine mobile Gesellschaft“, beklagt sie. So werde auch die Mobilität am Arbeitsmarkt behindert.

Sie plädiert auch für mehr Qualität in der Bildung und bessere frühkindliche Bildung: „In Deutschland ist die Abhängigkeit der Bildungskarriere vom Elternhaus zu groß. Wenn man bereits Kinder früh in der Grundschule abhängt, vergeben wir ein großes Potenzial.“ Denn die Fach- und Wissensarbeiter seien das eigentliche Potenzial für den Standort Deutschland. Allerdings weiß sie auch: „Im Wahlkampf geben wir langfristigen Investitionen nicht den Raum, der ihnen gebührt.“ Diese Position unterstreicht auch IHK-Präsident Dr. Armin Zitzmann: „Dieses Land hat einen riesigen Reformbedarf, aber das will  keiner hören.“

Autor: Thomas Tjiang

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