Digital breiter aufgestellt
Produktentwicklung: Die Digitalisierung für neue intelligente Produkte und Dienstleistungen nutzen: Wie geht man vor?
Die Digitalisierung bietet vielfältige Möglichkeiten, um das traditionelle Sortiment auszuweiten. Ein Industriebetrieb könnte beispielsweise nicht nur seine Produkte anbieten, sondern darum herum digitale Dienstleistungen entwickeln, um neue Kundengruppen anzusprechen. Wie gelingen solche kombinierten Lösungen aus Produkt, Dienstleistung und digitaler Technologie, mit denen man Kunden ein maßgeschneidertes Angebot machen könnte?
Mit dieser Frage beschäftigt sich das Forschungsprojekt „SmartHaPSSS“ („Harmonisierung der Entwicklung von komplexen Produkt-Smart-Service-Systemen bei kleinen und mittleren Unternehmen KMU“). An diesem Projekt, das vom Bundesforschungsministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, arbeiten Forscherteams dieser Partner mit: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg FAU (Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik 1 und Lehrstuhl für Corporate Sustainability Management), Institut für Angewandte Informatik (InfAI) und Rechenzentrum der Universität Leipzig sowie die Unternehmen Rehau-Gruppe, Intershop AG in Jena und Uvex Arbeitsschutz GmbH in Fürth. Gemeinsam arbeiten sie daran, sogenannte smarte Produkt-Service-Systeme (smart PSS) zu entwickeln. Die IHK Nürnberg für Mittelfranken engagiert sich als assoziierter Partner des Forschungsprojekts.
Beispiel Arbeitsschutz
Am Beispiel der Arbeitsschutz-Produkte (PSA) von Uvex werden Vorgehensweisen entwickelt, um solche Kombinationen aus Produkt, Dienstleistung und digitaler Technologie voranzubringen. Umsätze werden beispielsweise nicht nur durch den Verkauf von Produkten wie beispielsweise Sicherheitsschuhen erzielt, sondern möglicherweise auch durch die Lizenzierung von Dienstleistungen (z. B. für Schulungs- und Trainingsinhalte) sowie die Monetarisierung von Daten (z. B. über die Nutzungsdauer der Sicherheitsschuhe).
Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen wissen oft nicht, wie sie solche maßgeschneiderten Angebote umsetzen sollen. Denn diese „smart PSS“ erfordern ein komplexes Vorgehen, weil die drei Komponenten Produkt, Dienstleistung und digitale Technologie teilweise parallel entwickelt werden müssen. Wichtige Fragen sind: Wie lassen sich die Entwicklungsprozesse synchronisieren, die relevanten Akteure einbinden und gleichzeitig das Geschäftsmodell erweitern? Es stellen sich also zahlreiche Herausforderungen hinsichtlich Kommunikation und Koordination innerhalb des Unternehmens und darüber hinaus. Es muss allen Beteiligten vermittelt werden, dass diese Systeme Wettbewerbsvorteile bieten: Sie lassen sich für bestimmte Zielgruppen „maßschneidern“ und erhöhen damit die Kundenbindung. Es ergeben sich neue Marktchancen, wenn Produkte um Dienstleistungen und digitale Technologien ergänzt werden können. Ein weiterer Wettbewerbsvorteil: Nutzt man die digitalen Möglichkeiten effizient, dann werden Daten generiert, die das Wissen über die tatsächliche Nutzung der eigenen Produkte auf dem Markt stark verbessern. Dieses Wissen bietet wiederum das Potenzial für die Entwicklung zusätzlicher Angebote. Trotz all dieser Vorteile haben kleine und mittlere Unternehmen das Problem, dass es nur wenig etablierte Methoden für die Entwicklung von „smart PSS“ gibt.
Hier setzt das Projekt „SmartHaPSSS“ an, das Teil des Forschungsprogramms „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ ist und durch den Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut wird. Ziel des Programms ist es, anwendbare Lösungen zu finden und zu pilotieren.
Das zentrale Ergebnis des Forschungsprojekts ist eine Vorgehensweise, die sich für die Entwicklung von „smart PSS“ empfiehlt. Die wesentlichen Schritte:
- notwendige Akteure mit Expertise für die Komponenten Produkt, Dienstleistung und digitale Technologie einbinden und deren Aktivitäten koordinieren
- geeignete Formate für den Austausch der Beteiligten schaffen
- Bedürfnisse des Anbieters und der Käufer analysieren
- gegebenenfalls externe Partner einbinden
- prüfen, welche Entwicklungsschritte synchronisiert werden sollten und welche Prozesse harmonisiert werden müssen. Beispiel: Soll ein Produkt um eine digitale Dienstleistung ergänzt werden, muss die Entwicklung beider Komponenten synchronisiert werden. Andernfalls ist es für die Beteiligten kaum möglich zu verstehen, welche digitalen Funktionen umsetzbar und sinnvoll sind.
- Es muss bei allen Beteiligten ein gemeinsames Verständnis zustande kommen, wo genau der Mehrwert des neuen digitalen Angebots liegt. Beispiel Produkte für den Arbeitsschutz: Es bringt nicht viel, diese einfach mit Sensoren zu versehen. Sondern es muss verstanden werden, welche Umsatzmöglichkeiten beispielsweise durch personalisierte Dienstleistungen entstehen oder wie digitale Technologien und Datenanalysen den Lebenszyklus der Arbeitsschutzprodukte verlängern können.
Die Uvex Arbeitsschutz GmbH hat das beschriebene Vorgehen erfolgreich durchlaufen und im Rahmen des Forschungsprojektes eine digitale Lösung für persönliche Schutzausrüstungen (PSA) entwickelt – den „PSA-Manager“. Rund um die Arbeitssicherheitsprodukte von Uvex entstehen nun digitale Anwendungen, mit denen sich der tatsächliche Bedarf von PSA am Arbeitsplatz nutzerorientierter bestimmen lässt. Dadurch werden eine erhöhte Arbeitssicherheit am Arbeitsplatz gewährleistet und weitere potenzielle digitale Dienstleistungen, insbesondere im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit (z. B. Rücknahme von PSA und digitale Nachverfolgung von PSA-Artikeln) ermöglicht. Der „PSA-Manager“, den Uvex gemeinsam mit dem Software-Partner Secova umgesetzt hat, bildet den Grundstein für ein „Ökosystem“ digitaler Dienstleistungen, mit denen Uvex seine Arbeitsschutzprodukte ergänzt und damit neue Zielgruppen erschließt.
Externer Kontakt:
FAU, Tel. 0911 5302-96398
nina.lugmair(at)fau.de, julian.kurtz(at)fau.de
www.smarthapsss.de
Info zu ChatGPT & Co.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) informiert in einem Bericht über die Chancen und Risiken der KI-Sprachmodelle. Der Bericht mit dem Titel „Große KI-Sprachmodelle: Chancen und Risiken für Industrie und Behörden“ kann als PDF-Datei auf der BSI-Webseite heruntergeladen werden: www.bsi.bund.de (Suchbegriff „KI-Sprachmodelle“)
Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) hat Grundlagen, Anwendungspotenziale und mögliche Auswirkungen von ChatGPT und anderen Computermodellen zur Sprachverarbeitung analysiert. Der Bericht ist im PDF-Format auf der Website des TAB abrufbar: www.tab-beim-bundestag.de (Rubrik „Publikationen“)
Die DIHK-Bildungs-gGmbH hat Fakten zu datenschutz- und urheberrechtlichen Fragen bei ChatGPT zusammengestellt: https://ihk-kompetenz.plus/wissenswertes/chat-gpt-fakten-datenschutz-urheberrecht/
Im Rahmen der Initiative „#GemeinsamDigital“ bietet die IHK-Organisation kostenlose Weiterbildungsangebote zu Chancen und Funktionsweise von KI-Technologien an: www.dihk.de/gemeinsamdigital
Der Einsatz von generativen Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) wie ChatGPT bietet neue Möglichkeiten – geht aber auch mit Herausforderungen und Risiken einher. Als „generative KI“ bezeichnet man Systeme, die auf der Grundlage vorhandener Daten neue Inhalte wie Texte, Bilder, Audio oder Codes erstellen. Die derzeit wohl bekannteste Anwendung ist ChatGPT, daneben existieren aber viele weitere. Was aus Unternehmenssicht bei der Nutzung von generativen KI-Tools zu berücksichtigen ist, hat die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) in zehn Aspekten zusammengefasst:
Datenschutz: Die Datenverarbeitung von ChatGPT ist bislang recht intransparent. Es ist nicht klar, auf welcher Rechtsgrundlage personenbezogene Daten in die USA übermittelt werden. Ebenso wenig gibt es eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung und Speicherung personenbezogener Daten auf Servern in den USA. Aus diesem Grund sollte beim Einsatz generativer KI-Systeme stets geprüft werden, wo die Datenverarbeitung stattfindet. Auf die Eingabe und Nutzung von personenbezogenen und auch anderen sensiblen beziehungsweise vertraulichen Daten sollte bei der Anwendung generativer KI-Systeme generell verzichtet werden. Das Gleiche gilt für Daten Dritter, die in anderen Zusammenhängen bezogen und/oder verarbeitet wurden. Insgesamt ist den Nutzern von ChatGPT zu empfehlen, sorgfältig abzuwägen, welche Informationen sie in die Systeme einspeisen. Denn sie können dazu verwendet werden, um die KI zu trainieren und dadurch zu verbessern. Seit Kurzem können ChatGPT-Nutzer über eine Opting-out-Funktion entscheiden, dass ihre Daten nicht mehr zum Trainieren der KI eingesetzt werden.
Datenqualität: Die Arbeitsergebnisse von KI-Tools hängen stark von der Qualität, der Quantität und der Gewichtung der einzelnen Datensätze ab, mit denen sie trainiert werden. Generative KI kann möglicherweise ungenaue, irreführende oder nicht aktuelle Aussagen generieren. Bei vielen generativen KI-Systemen ist nicht transparent, welche Datenquellen genutzt werden und welcher Meinungsschwerpunkt dabei repräsentiert wird. Inhalte und Antworten können einem sogenannten Bias unterliegen – also verzerrt sein und ein falsches Bild ergeben. Die Zuverlässigkeit und Objektivität des Outputs zum aktuellen Zeitpunkt sollten daher stets hinterfragt werden.
geistiges Eigentum: Daten, mit denen die KI gefüttert wurde, können urheberrechtlich geschützt sein – zum Beispiel Textbausteine, Begriffe oder Bilder. Dadurch stellt der KI-generierte Output unter Umständen eine Urheberrechtsverletzung dar. Die Vervielfältigung kann strafbar sein. Insofern ist bei Inhalten, die von KI generiert werden, Vorsicht geboten. Die Verwendung dieses Outputs für die Kommunikation nach außen ist deshalb besonders riskant.
Transparenz: Den Unternehmen wird empfohlen, ihren Einsatz von generativen KI-Modellen transparent zu machen – einschließlich der Information, in welchen Abläufen sie zum Einsatz kommen. Dies kann dazu beitragen, Vertrauen bei Kunden, Mitarbeitern und anderen Stakeholdern zu stärken.
Haftung und Risikomanagement: Die Unternehmen sollten berücksichtigen, dass es rechtliche und finanzielle Risiken im Zusammenhang mit dem Einsatz von generativer KI geben kann. Deshalb sollte auch die Haftungsfrage für den Fall geklärt werden, dass es zu Fehlern oder Schäden durch die Nutzung der KI kommt.
Überprüfung durch Menschen: Die Unternehmen sollten sicherstellen, dass KI-generierte Inhalte von einem Menschen überprüft werden – insbesondere in Situationen, in denen eine Fehlaussage schwerwiegende Folgen haben könnte.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schulen: Die Mitarbeiter müssen sensibilisiert werden, wie generative KI-Anwendungen funktionieren und wie sie sich in die Arbeit integrieren lassen. Dabei sollten auch rechtliche Themen (z. B. Datenschutz) und ethische Aspekte diskutiert werden. Wichtiger Aspekt: Die KI-Technologien entwickeln sich rasant weiter, deshalb müssen die Schulungen regelmäßig aktualisiert werden, um die Mitarbeiter auf dem neuesten Stand zu halten.
ethische Überlegungen: Beim Einsatz von ChatGPT und anderer KI-Anwendungen muss berücksichtigt werden, welche möglichen Auswirkungen sich für verschiedene Stakeholder (Kunden, Mitarbeiter, Gesellschaft etc.) ergeben können. Es sollte sichergestellt werden, dass die Nutzung im Einklang mit den ethischen Prinzipien des Unternehmens steht.
Coding: Falls Unternehmen generative KI im Bereich Programmierung und Coding einsetzen, sollten sie sich zuvor mit der Syntax und den Befehlen des Tools vertraut machen und die Erklärungen gründlich lesen. Fehler im Code können sich auf die Performance, Funktionalität und Sicherheit der Anwendungen auswirken.
Plugins: Seit Anfang April ermöglicht das hinter ChatGPT stehende Unternehmen OpenAI, dass sich ChatGPT über neue Plugins direkt in Unternehmenssysteme einbinden lässt. So können beispielsweise (Echtzeit-)Datensätze von Unternehmen über Schnittstellen gezielt durchsucht werden oder Aufgaben von der KI wahrgenommen werden, zum Beispiel die Buchung von Reisen. Zwar sind die Plugin-Features aktuell noch sehr begrenzt, KI-Experten rechnen jedoch damit, dass mittelfristig ein eigenes Ökosystem ähnlich dem App-Store von Apple entstehen könnte. Wenn Unternehmen solche Plugins nutzen wollen, sollten sie sich unbedingt intensiv mit Fragen zu Datenschutz, Urheberrecht und Datensicherheit auseinandersetzen.
Webcode: N391