Leichter über die Grenze
Bürokratie im Außenhandel abbauen: IHK-Organisation legt konkrete Vorschläge vor.
Die regulatorische Belastung für europäische Unternehmen ist zu hoch und nimmt weiter zu: Diese klare Aussage ist dem sogenannten Draghi-Report zu entnehmen, der im September dieses Jahres von der EU-Kommission veröffentlicht wurde. Zwischen 2019 und 2024 seien rund 13 000 Rechtsakte in der Europäischen Union verabschiedet worden, während die USA auf Bundesebene im gleichen Zeitraum mit nur ca. 5 500 Regelungen ausgekommen seien. Diese Flut an Vorschriften erzeugt immer mehr Bürokratie in allen Bereichen, auch die Außenwirtschaft bleibt davon nicht verschont.
Es ist fast unmöglich, den Überblick über die bestehenden, sich teilweise widersprechenden und sich häufig ändernden Regelungen im Außenhandel zu behalten – geschweige denn, sie umzusetzen und einzuhalten. Die Kosten sind sehr hoch. Denn die Unternehmen müssen ihre Compliance-Funktionen kompetent verstärken, während an Stellen, wo produziert wird und Wertschöpfung stattfindet, qualifizierte Mitarbeiter fehlen. Der Fokus wird dadurch vom eigentlichen wirtschaftlichen Zweck des Unternehmens abgelenkt – nämlich vom Produkt und Kunden. Die Außenhandelsquote (Importe und Exporte) in Deutschland entspricht gut 70 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Eine effiziente und möglichst reibungslose Abfertigung der grenzüberschreitenden Warenströme ist für die Wettbewerbsfähigkeit gerade deutscher Unternehmen von entscheidender Bedeutung.
Die IHK-Organisation sieht deshalb einen großen und unmittelbaren Handlungsdruck, eine Überprüfung des Zoll- und Außenwirtschaftsrechts ist zwingend notwendig. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hat zusammen mit den IHKs national und auf EU-Ebene Vorschlagspakete erarbeitet. Sie zeigen auf, wo und wie sich Hemmnisse und bürokratische Überspannungen im Zollrecht und in der Exportkontrolle konkret abbauen und Abläufe optimieren lassen.
Forderungen im Zollrecht: Bereits im Februar 2023 hatte die DIHK das „Ideenpapier für Vereinfachungen im EU-Zollrecht – Entlastung für Wirtschaft und Zollverwaltung“ vorgelegt und seitdem intensiv mit politischen Entscheidungsträgern diskutiert. Vorgeschlagen wurden u. a. diese Maßnahmen:
- Zollverfahren konsequent digitalisieren
- EU-Vermittlungsstelle einrichten, die bei uneinheitlicher Handhabung des Zollrechts durch die nationalen Zollbehörden tätig wird
- Zollsätze von unter zwei Prozent überprüfen und insgesamt vereinheitlichen
- Anzahl der Warentarifnummern reduzieren
- Anzahl der Codierungen in den Zollanmeldungen verringern
- Änderungen im EU-Zolltarif mit längerem Vorlauf und mit begleitenden Informationen ankündigen
- Korrekturen von Zollanmeldungen vereinfachen
- Erhebungsverfahren der Einfuhrumsatzsteuer auf ein Verrechnungsmodell umstellen
- Zollabwicklung bei der Einfuhr automatisieren und dezentral organisieren
betriebliche Exportkontrolle vereinfachen: Erst vor Kurzem hat die DIHK ein weiteres Vorschlagspapier vorgelegt mit dem Titel „Vereinfachungen in der Exportkontrolle“. Es führt Beispiele auf, wie die Verfahren für die Betriebe praxisgerechter gestaltet werden könnten. Einige der Vorschläge:
- noch mehr Informationen für die Betriebe vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), z. B. mehr Leitlinien, Merkblätter und Fallsammlungen zu Entscheidungen
- benutzerfreundliche Gestaltung des Umschlüsselungsverzeichnisses und der Güterlisten
- kürzere Genehmigungsverfahren
- Zusammenarbeit von Zoll und BAFA verbessern
- Embargo-Länder besser kenntlich machen
- maschinenlesbare Dateien für die Unternehmen zur Verfügung stellen (Güterlisten/Umschlüsselungsverzeichnis)
- Abschaffung ungenutzter Vorschriften
Die Positionen der DIHK und der IHKs finden Gehör in der Politik. Zum Jahreswechsel könnten bereits einige Verbesserungen in Kraft treten. Die Idee des freien Welthandels gerät aber weltweit immer stärker unter Druck, dadurch nehmen die Risiken für den Außenhandel zu. Umso wichtiger ist es, die Exportkontroll- und Zollverfahren einfacher und praxisnah zu gestalten. Gelingt es nicht, das Ruder zügig umzulegen und wieder bessere Bedingungen für erfolgreiches Wirtschaften zu schaffen, drohen die Exportnation Deutschland und die EU im Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsmächten und -blöcken ins Hintertreffen zu geraten.
Download der DIHK-Positionspapiere: www.dihk.de („Themen und Positionen“ / „Internationales“ / „Zoll und Außenwirtschaftsrecht“)
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Dipl.-Kfm. Rainulf Pichner
Leiter Kompetenzzentrum Zoll, Zoll- und Außenwirtschaftsrecht, Internationales Vertragsrecht
Webcode: N887