Vieles schon digital
Polen: Symposium in der IHK: Medizintechnik, IT und Automatisierung sind Felder für mögliche Kooperationen.
Polen gilt als Wachstums-Champion in Europa. Außerdem ist das Handelsvolumen mit Deutschland im Jahr 2022 auf die neue Rekordmarke von 168 Mrd. Euro geklettert. Damit verteidigte das Nachbarland den fünften Rang der wichtigsten Handelspartner Deutschlands. Vor diesem Hintergrund lud die Deutsch-Polnische Auslandshandelskammer (AHK) zur Konferenz „Deutsch-Polnische Zukunftsmärkte 2023“ in die IHK Nürnberg für Mittelfranken. Unter dem Motto „Wettbewerbsfähig in die Zukunft? Deutschland und Polen in Zeiten globaler Transformation“ nutzten über 150 Teilnehmer die Plattform, um länderübergreifende Kontakte zu knüpfen und sich über Fachthemen wie digitale Dienstleistungen, Automatisierung, Wärmewende und Gesundheitsmarkt auszutauschen.
„Polen ist auch für Mittelfranken ein sehr interessanter Industriestandort und einer unserer stärksten Absatzmärkte“, sagte Paul Heinz Bruder, IHK-Vizepräsident und Geschäftsführer der Bruder Spielwaren GmbH in Fürth, zum Auftakt der Veranstaltung. „Die Beziehungen sind stark und dynamisch“, ergänzte er mit Blick auf die rund 180 mittelfränkischen Unternehmen, die bereits direkt in Polen investiert haben.
Polnische Unternehmen seien in Deutschland sehr zufrieden, berichtete Katarzyna Byczkowska, Präsidentin der AHK Polen und Managing Director von BASF Polen. Umgekehrt schneide das Nachbarland bei deutschen Firmen etwa bei der Zusammenarbeit mit der Verwaltung und bei den Kosten gut ab. Zudem seien viele junge, gut ausgebildete Fachkräfte und Talente verfügbar. Im letzten Jahr habe die Deutsch-Polnische IHK etwa doppelt so viele Anfragen potenzieller Investoren erhalten wie im Jahr zuvor. Polen sei für viele deutsche Mittelständler die Wahl Nummer eins. Dabei gehe es nicht nur um Investitionen, sondern auch um Partnerschaften für die eigene Lieferkette sowie für Vertrieb, Forschung und Entwicklung.
Medizin und Pharma stark in Polen
Der deutsch-polnische Handel wird auch im laufenden Jahr trotz eines wirtschaftlich flauen Umfeldes voraussichtlich um fünf Prozent zulegen. Das hob Dariusz Pawłos, Botschafter der Republik Polen in der Bundesrepublik, hervor. Dafür sorgten auch Technologiesparten wie Digitalisierung, Verkehr, Medizintechnik, IT, Fin-Tech und Künstliche Intelligenz (KI). So biete sich beispielsweise eine engere Vernetzung des Medical Valleys der Metropolregion Nürnberg mit Partnern in Polen an. Die polnische Biotechnologie und Pharmazie entwickle sich im EU-Vergleich überaus dynamisch, 13 Prozent aller polnischen Neugründungen fänden in diesem Bereich statt. Insgesamt 40 Hochschulen hätten eine eigene Bio-Med-Fakultät. Auch der IT-Sektor zeige dank vieler Fachkräfte einen steten Aufwärtstrend. Ein Zentrum sei Krakau, Polens zweitgrößte Stadt und Nürnbergs Partnerstadt, wo mehr als 500 Tech-Unternehmen ihren Sitz haben.
Um mögliche Kooperationen in zukunftsweisenden IT-Technologien, die die Arbeitswelt und die Gesellschaft verändern werden, ging es in einem Plenum der Veranstaltung. Prof. Dr. Sigurd Schacht von der Hochschule Ansbach gab in seinem Impulsvortrag Anregungen für weitere Kooperationen: Als ein Beispiel nannte er die Generative KI (GenAI), die durch ihre Algorithmen in der Lage sei, Texte, Bilder und Sprache zu erzeugen, die kaum von menschlichen Urhebern zu unterscheiden seien. Er sagte der GenAI als neuer Basistechnologie „unglaubliche Produktivitätssteigerungen und Auswirkungen auf die Art des Wirtschaftens“ voraus. Nach der Automatisierung in der Produktion zeichne sich nun ab, dass durch die KI auch die Wissensarbeit automatisiert werden kann. Studien legten nahe, dass wissensintensive Arbeiten deutlich schneller und mit besserer Qualität erledigt werden könnten.
In der anschließenden Diskussion warb Dr. hab. inz. Prof. Anna Timofiejczuk von der Schlesischen Technischen Universität (Politechnika Schlesien) bei kleinen und mittleren Unternehmen für Kooperationen mit der Region Schlesien, die als erste polnische Kompetenzregion für die Industrie 4.0 entwickelt wurde. Der digitale Innovations-Hub spiegele sich auch in den Studiengängen wider, in die überall das Thema KI integriert ist. Dort sei u. a. ein autonomer Kleinbus entwickelt worden, der mittlerweile drei Haltestationen miteinander verbindet. Geforscht werde auch an einem internationalen Drohnenprojekt. „KI wird die Menschen nicht ersetzen, aber zusätzliche Möglichkeiten eröffnen“, zeigte sie sich sicher.
Polen führt E-Rechnung ein
In den Workshops ging es praxisnah um internationale Gewinnung von Fachkräften, Sonderwirtschaftszonen in Polen, polnisches Vertragsrecht sowie um die E-Rechnung. Polen ist bei der Einführung der E-Rechnung auf Basis der Norm EN 16931 viel weiter als Deutschland, berichtete Richard Luthardt, Vorstand beim Verband elektronische Rechnung (VeR) und bei der Nürnberger Datev eG verantwortlich für die Strategie E-Rechnung. Mitreferentin Katarzyna Judkowiak, Partnerin bei Rödl & Partner und verantwortlich für die Steuerberatung bei Rödl & Partner Polen, berichtete, dass – abhängig von der neuen Regierungsbildung – Polen bereits zur Jahresmitte 2024 auf die E-Rechnung im Geschäftsverkehr umstellen werde. Das landesweite E-Rechnungssystem (KSeF) stellt dann neue Anforderungen an Verkaufsrechnungen. Dann wird der Rechnungsversand – wie bereits auch in Italien – ausschließlich an die KSef-Plattform möglich sein. Wird sie dort nach digitaler Prüfung angenommen, gilt sie formal auch als taggleich an das Empfängerunternehmen zugestellt. Dann werden die analogen bzw. PDF-Rechnungen durch eine digitale Lösung ersetzt. Luthardt mahnte, sich rasch darauf vorzubereiten: „Für deutsche Unternehmen mit Sitz in Polen ergeben sich damit auch Riesenänderungen bei den gesamten Prozessen.“
Autor/in: (tt.)
Externer Kontakt:Deutsch-Polnische Industrie- und Handelskammer: https://ahk.pl/
Webcode: N407